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Dieser Beitrag behandelt die Frage, warum eine Veränderungsarbeit mit Selbsthypnose oft nicht funktioniert und zu gar keinen oder gar unerwünschten Ergebnissen führen kann. Dabei ist hier nicht nur die "echte" Selbsthypnose gemeint, während der man sich "live" Suggestionen gibt, es geht auch ausdrücklich um für sich selbst erstellte (oder gekaufte) Hypnose-CDs oder Hypnose-Files, deren Anwendung formal eine Fremdhypnose wäre. Die Ausgangssituation Man solle sich in einen Trancezustand versetzen und dann seine positiv formulierten Wünsche ("Suggestionen") an das Unterbewusstsein richten. Bedingt durch den Trancezustand werde dies dann dafür sorgen, dass sich das Geäußerte verwirkliche. Es gibt noch geringfügige Unterschiede in der Art und Weise des vorgeschlagenen Vorgehens (Du bist selbstbewusst oder Du wirst selbstbewusst, Du bist selbstbewusst oder Ich bin selbstbewusst usw.), aber im Prinzip war's das. Und das soll dann funktionieren. Tut es aber oft nicht. Mögliche Gründe dafür sollen hier behandelt werden. Die falsche Diagnose Beispiel: Jemand fühlt sich bei Vorträgen sehr unsicher und darunter leiden er und die Vorträge. Da er häufiger Vorträge halten muss, möchte er etwas daran ändern. Nun kommt seine Selbst-Diagnose: Mir mangelt es an Selbstbewusstsein. Dieser Diagnose wohnt weiterhin die Annahme inne, dass ein Mehr an Selbstbewusstsein sein Erleben und Verhalten auf Vorträgen positiv ändern werde. Also wird nun per Selbsthypnose am Selbstbewusstsein rumgedoktert - mit nur mäßigen Erfolgsaussichten, denn die selbst gestellte Diagnose ist mit größter Wahrscheinlichkeit falsch, ebenso wie die Vermutung, dass mehr Selbstbewusstsein eine Besserung brächte. Um zu erklären, warum das so ist, muss ich etwas ausholen: Wie gehen verantwortungsvolle Eltern mit ihrem Kind im Vorschulalter um? Sie werden vielleicht alles daran setzen, dass dieses Kind ein glückliches, gesundes, möglichst sorgenfreies Leben führen kann. Dies ist das erklärte Ziel und dabei ist es völlig unwichtig, ob sie dem Kind immer die Wahrheit erzählen. Im Gegenteil, sie werden das Kind gezielt anlügen, wenn es dahinter einen "übergeordneten Sinn" ergibt. Und so kam also der Wellensittich in den Wellensittich-Himmel, dafür wurde dann der Weihnachtsmann geboren, auch tut der Sandmann seinen Dienst, die Geräusche heut Nacht aus dem Schlafzimmer kamen davon, weil Mama und Papa das Bett gerade gerückt haben, usw. usf. - lauter Lügen im Dienst der Sache, der Zweck heiligt die Mittel. Und genau so geht unser Unbewusstes (UB) auch mit unserem Bewussten um: viele Glaubenssätze, die wir auf bewusster Ebene über uns selbst, über Ursachen und vermutete Lebenszusammenhänge haben, sind einfach falsch, hier ein paar fiktive Beispiele:
Diese Beispiele sollen lediglich das Prinzip erklären: Menschen entwickeln ständig einfache und leicht nachvollziehbare Glaubenssätze und Denkmuster, die ihnen ihr eigenes Leben erklären sollen. Wie absurd das manchmal sein kann, soll dieses wahre Beispiel aus einer therapeutischen Sitzung verdeutlichen: Ein Klient erklärt mit anschaulichen Worten in einem längeren, inhaltlich gut strukturierten Monolog, dass seine Beziehung auch deswegen nicht funktioniere, weil er nicht fähig sei, sich sprachlich auszudrücken und also mit seiner Frau verbal zu kommunizieren! Mit anderen Worten: er hat gerade gezeigt, dass er sich sprachlich bestens ausdrücken kann; dennoch "glaubt" er, dass er es nicht könne und dass die Probleme mit seiner Partnerin u.a. daher rührten. Eine schöne Erklärung - einfach, für ihn nachvollziehbar und - ganz offensichtlich falsch. Aber dennoch für ihn offenbar besser, als sich mit dem wahren, vielleicht viel komplexeren Grund der mangelnden Kommunikationsfähigkeit des Paares auseinander setzen zu müssen. (In dem Zusammenhang kann man sich ja mal die Erfolgschancen dafür ausrechnen, wenn sich dieser Mensch nun zur Rettung seiner Beziehung in Selbsthypnose "bessere sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten" suggerieren würde.) Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Menschen überhaupt nicht über die Fähigkeit verfügen, eigene psychologische Hintergründe und Zusammenhänge zutreffend und wahrheitsgemäß zu analysieren, dafür ist das menschliche Gehirn schlichtweg nicht gebaut. Dies anzuerkennen, mag äußerst schwer fallen, wir haben ja subjektiv das völlig authentische "Gefühl", genau zu wissen, warum wir was tun. Aber dieses Gefühl ist leider nur eine "fiese Täuschung" durch unsere unbewussten Prozesse. Für unser alltägliches Leben sind solche Täuschungen eine praktische Angelegenheit, sie vereinfachen und entlasten unser Denken. Wenn man aber gezielt in seine Psyche verändernd eingreifen möchte, sollte man diesen Mechanismus kennen und berücksichtigen. Denn dieser Mechanismus sorgt dafür, dass das, was wir als Ursache eines bestimmten Verhaltens zu erkennen glauben, mit großer Wahrscheinlichkeit eben nicht die Ursache ist. Und damit zurück zum anfänglichen Beispiel: wenn jemand denkt, dass er deswegen keine guten Vorträge halten kann und sich dabei unwohl fühlt, weil ihm einfach nur Selbstbewusstsein fehle, dann wird dies kaum der wahre Grund sein, sondern es wird dahinter ganz was anderes stehen. Vielleicht hatte er sich mal als Kind blamiert und war von einem Lehrer ausgezählt worden, als er in der Schule vor der Klasse aufstehen und ein Gedicht aufsagen sollte, was er aber nicht konnte. Oder es gab mal einen doofen Onkel, der sich auf Familienfeiern immer besoffen hatte und dann aufstand und Vorträge hielt, so dass der Entschluss gefasst wurde: das werde ich NIE tun! Oder oder... Also: wer vor einer Selbsthypnose eine "Eigen-Diagnose" anstellt und zu analysieren beginnt, warum etwas so oder so sei, und festzulegen beginnt, was er für zum Eintritt einer Veränderung brauche, und am Ergebnis dieser Überlegungen seine späteren Suggestionen ausrichtet, hat damit bereits den Grundstein dafür gelegt, dass es wahrscheinlich nicht funktionieren wird. Falsche Suggestionen All diesen Begriffen ist gemein, dass man sie nicht unmittelbar messen kann, dass man nicht bestimmen kann, wie viel oder wie wenig davon bei einem Menschen vorhanden ist. Man kann lediglich aus seinem Verhalten "mutmaßen", wie viel denn jeweils davon vorhanden sein könnte. Und auch da kann man ganz unterschiedlicher Meinung sein: wenn jemand in einem Internetforum immer wieder andere beschimpft, ist der nun besonders selbstbewusst? Oder ist er gar überhaupt nicht selbstbewusst, weil er dies anonym tut? Hier besteht also großer und individueller Interpretationsbedarf und genau das ist das Problem. Wenn jemand Selbstbewusstsein suggeriert, überlässt er damit dem Unbewussten zu entscheiden, was genau dieses denn nun unter Selbstbewusstsein versteht. Vielleicht wird er anschließend unter Blähungen leiden, denn überall und vor allen Leuten zu pupsen - wow, das IST selbstbewusst! Die Wege des Herrn und des Unbewussten sind keineswegs "linear" und vorhersagbar. Niemand weiß, was ein Unbewusstes und geschweige denn sein Unbewusstes als erstes mit "Selbstbewusstsein" verbindet. Vielleicht sind tief in den Windungen des Unbewussten Assoziationen mit frühen Erinnerungen an die Pubertät verknüpft, als andere Halbstarken die unmöglichsten Dinge verbockt hatten. Das hatte man abgelehnt und nicht mitgemacht, aber irgendwie fand man all das auch - ziemlich "selbstbewusst"... Und damit zurück zum Beispiel mit den Vorträgen. Hier könnte eine suggerierte Steigerung des Selbstbewusstseins u.a. auch dazu führen, dass er zukünftig bei Vorträgen nun noch zu stottern beginnt. Denn die Vorträge sind Verkaufs-Vorträge, mit denen eine qualitativ minderwertige, überteuerte Ware angeboten wird. Der Vortragende mag dies eigentlich nicht, traut sich aber nicht, dies seinem Chef zu sagen. Durch das Stottern kann er solche Vorträge nicht mehr halten und nun kommt es - endlich - zur Konfrontation mit dem Chef. Auch das wäre dann - selbstbewusst. Manche meinen übrigens, dass die genaue und inhaltlich eindeutige Formulierung des Suggerierten nicht so wichtig sei, weil das Unbewusste ja schließlich wisse, worum es gehe - egal, wie man es ausdrücke. Dass dies nicht stimmt, kann jeder für sich selbst leicht ausprobieren: Nehmen wir mal an, jemand möchte sich mehr "Lebensfreude und Unbekümmertheit" suggerieren. Dies ist sein erklärtes Ziel, das weiß er also nicht nur auf bewusster, sondern auch auf unbewusster Ebene. Und da es ja egal ist, wie er dieses Ziel bezeichnet, nennt er es "Traurigkeit" und suggeriert sich nun über Wochen eben Traurigkeit, Traurigkeit, Traurigkeit. Ich nehme an, dass es jedem Leser allein bei dem Gedanken daran so geht, wie mir, dass nämlich sofort ein deutliches, unangenehmes Gefühl entsteht: Das kann nicht funktionieren! Und dieses Gefühl hat recht, denn die Interpretation von Sprache (Wörter, Satzbau, pp.) ist in Trance tatsächlich eine andere als in einem wachbewussten Zustand. Während der Trance erfolgt eine Interpretation viel enger an der "ursprünglichen" Bedeutung der Sprache; die Fähigkeit zu erkennen, was mit Gesagtem "eigentlich" gemeint ist, tritt in Trance deutlich zurück, Beispiele:
Gerade angesichts des zweiten Beispiels kann man gut nachvollziehen, wie problematisch es vielleicht gewesen wäre, wenn sich die Fleischerin eine Hypnose-CD erstellt hätte mit der Suggestion: "Du bist zukünftig ein selbstbewusster Fleischer!" Ich hatte mich mal während einer deftigen Zahnbehandlung in Trance versetzt und mir sinngemäß suggeriert, dass mir die Behandlung gleichgültig sei und ich gedanklich ganz woanders wäre. Das hatte auch gut funktioniert. Nun wollte ich das noch steigern und suggerierte mir sinngemäß, dass jetzt mein Unbewusstes ganz und gar die Kontrolle über mich übernehmen solle und dass ich von der Behandlung gar nichts mehr mitkriegen wolle. Ich hatte dabei an einen sehr tiefen Trancezustand gedacht. Aber was passierte? Ich wurde ohnmächtig. Das hatte ich nicht gewollt - obwohl es die perfekte Umsetzung meiner Suggestion war. Danke, UB! Man sollte also besser nicht darauf vertrauen, dass das Unbewusste schon wisse, was denn gemeint ist. Man sollte im Gegenteil ganz besonders berücksichtigen, dass (wachbewusst ausgedachte) Suggestionen vom UB in Trance ganz anders interpretiert werden können, als man es beabsichtigt hatte. Und wie macht man es nun richtig? Keine Diagnosen stellen! Keine "abstrakten Begriffe" suggerieren! Stattdessen: beim konkret Angestrebten bleiben!
Mit so einem Ansatz ist es viel wahrscheinlicher, dass Selbsthypnose oder ein selbst erstelltes Hypnose-File eine positive und vor allem auch die gewünschte Wirkung haben. Dabei sollte man sich vergegenwärtigen, dass Selbsthypnose keineswegs immer und bei jedem denkbaren Anlass das Angestrebte erreichen kann, oft wird sich ein Unbewusstes eben nicht so einfach zu einer Neuausrichtung bewegen lassen. Aber in anderen Fällen wieder kann man damit sicherlich erstaunliche Erfolge erzielen, die ich hiermit jedem Anwender wünsche! :) Lutz ImpressumDiese Seiten werden zur Verfügung gestellt von Lutz Wolters | HYPNOSE-BERGHEIM * Carl-Bosch-Str. 21 * 50126 Bergheim Email: Lutz [at] hypnose-service.de * Tel.: 02271/992403 www.hypnose-bergheim.de |