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Autor Thema: Urschmerz  (Gelesen 12389 mal)

Offline Aristocats

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Urschmerz
« am: 10. Okt 2006, 21:51 Uhr »
Hallo alle Interssierten,

aus aktuellem Anlass möchte ich gerne wissen, was Ihr so zum Thema Urschmerz sagen könnt. (Und sagt!)
Was ist, wenn die Fassade löchert, bröckelt...ich den ganzen Tag nur weinen möchte (und es auch irgendwie mache), nie genau weiß warum, und plötzlich mit ganzer Härte in einen Schmerz gerate, der wohl verantwortlich ist (außer mir), für meine ganze Lebensphilosophie, mein Scheitern, .... Ihr wisst vielleicht schon...
Es ist sehr schmerzhaft und ich weiß nicht damit umzugehen. Es fühlt sich sehr schlimm an, zu weinen, zu wimmern, zu schreien, aber irgendwie zu wissen, dass es in hoffnungsloser Hoffnung endet, denn niemand kann gutmachen, was passiert ist. Und dann....?

Da ich mir das Treffen leider nicht leisten kann,  bringe ich das hier auf den "Tisch"!

Gruß
Anja

Barbara

  • Gast
Re: Urschmerz
« Antwort #1 am: 11. Okt 2006, 08:19 Uhr »
Guten Morgen Anja,

ich möchte nur kurz und ganz einfach versuchen zu beschreiben, in welchem Bereich z.B. darauf hingearbeitet wird, diesem Urschmerz erneut zu begegnen.

Bei der Primärtherapie (ein körpertherapeutischer Ansatz) soll es darum gehen, den Klienten nochmals den Urschmerz spüren zu lassen, der in der frühen Kindheit evtl. durch traumatische Erlebnisse entstanden ist und verdrängt wird.

Durch das erneute Erleben soll der Klient vom Spannungsdruck, der durch die jahrelange Unterdrückung entsteht, befreit werden. Die Befreiung soll dann im Urschrei enden und eine Heilung ermöglichen.

Damit das Urerlebnis als Ganzheitlich vom Körper, Fühlen und Denken erlebt werden kann, werden Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbunden. Begleitend hierzu wird oft eine körperbezogene Technik angewendet, damit das Fühlen noch intensiver erlebt werden kann, um damit das Urerleben zu ermöglichen.


"Nach einer erfolgreich verlaufenden Therapie verspricht Janov Zugang zu den so genannten 'realen' Gefühlen. Janov verwendet den Begriff "reale Gefühle" für Gefühle, die in der Gegenwart verhaftet sind und nicht unbewusst durch alte Verhaltensweisen und Schutzmechanismen gesteuert werden. Grundlage zur Erlangung dieser realen Gefühle ist die Abwehrfreiheit der Patienten, die im Verlauf der Therapie hergestellt wird und nach der Therapie weitestgehend erhalten bleibt." - Quelle...

Das nur ganz kurz von mir. Weitere Meinungen von anderen Mitgliedern werden sicher noch folgen. :)

Lieben Gruß
Barbara

Offline Aristocats

  • HypnoSequenz
  • Beiträge: 68
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Re: Urschmerz
« Antwort #2 am: 11. Okt 2006, 08:30 Uhr »
Guten Morgen Barbara,

wow, dann hat das mit der Körpertherapie ja beinahe geklappt.
Vielleicht hast Du recht, denn als ich am Montag bei meinem Therapeuten aufgelaufen bin, war ich sehr sehr traurig. Er meine, heute mal körpertherapeutisch zu intervenieren. Allerdings war es da noch nicht so schlimm. Der Knall kam einen Tag später, als ich dummer Weise alleine damit war.
Über Nutzen und Sinn muss ich erstmal nachdenken, da hab ich jetzt so meine Phantasie...

Danke für Deinen Beitrag, wie immer sehr hilfreich!
Gibt es dazu Lektüre?
Derzeit lese ich "Vergiftete Kindheit" von Susan Forward. Kann ich ne Menge für mich rausziehen, vielleicht kommt es deshalb langsam hervor, was schon so lange ansteht, aber nie verstanden war, vom Aushalten ganz zu schweigen!

Lieben Gruß
Anja

Barbara

  • Gast
Re: Urschmerz
« Antwort #3 am: 12. Okt 2006, 10:51 Uhr »
Hallo Anja,

ob deine derzeitige Situation mit deiner Körpertherapie in Verbindung zu bringen ist kann und will ich natürlich nicht beurteilen. :)

Nur soviel möchte ich noch "sagen": Es heißt, dass es das Ziel ist, den Klienten daran zu hindern dem Urschmerz auszuweichen und die traumatischen Erlebnisse ins Bewusstsein des Klienten geholt werden sollen. ABER auch hier steht die Stabilisierung des Klienten im Vordergrund und es ist durchaus möglich, dass der Klient aus dem Grund von sehr tief liegenden Gefühlen ferngehalten wird, um erstmal weniger traumatische Erlebnisse zu verarbeiten.

Aber das solltest du vielleicht alles mit deinem Therapeuten besprechen? ;) :)

Lieben Gruß
Barbara

Offline Lutz

  • Admin
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Re: Urschmerz
« Antwort #4 am: 13. Okt 2006, 01:05 Uhr »
Hallo Anja,

tja - wie schafft man es, die Vergangenheit als das anzusehen, was sie ist? Egal, wie sie konkret war und wie sie vielleicht noch irgendwie nachwirkt, eines steht dennoch fest: sie ist nun mal vergangen.

Und ich frage mich, warum die menschlichen Füße nach vorne zeigen und nicht nach hinten. "Nach hinten" könnte ja insbesondere für diejenigen sinnvoll sein, die etwas besonders Tolles hinter sich gelassen haben, die könnten dann ja bequem rückwärts gehen und dabei noch lange auf das Gewesene zurückblicken.
Aber offenbar fand die Evolution es wohl angemessener, die Füße nach vorn ragen zu lassen.

Nicht nur für Fußballspieler. Denn irgendwie musste ich bei deinen Fragen auch an die deutsche Nationalmannschaft denken und daran, wie oft sie in der Vergangenheit schon gefoult, von Schiedsrichtern benachteiligt oder von Verletzungen geplagt wurde. Trotzdem werden die Spieler in Interviews fast nur nach den kommenden Spielen befragt.

Und meistens wissen sie vorher nicht, ob sie beim nächsten Mal gut oder schlecht spielen werden, beides ist immer möglich.

Jedenfalls kriegen die das wohl einigermaßen für sich geregelt...

Lieben Gruß
Lutz

Offline Susanna

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Re: Urschmerz
« Antwort #5 am: 13. Okt 2006, 06:59 Uhr »
Lutz, ich lese immer so gerne deine Beiträge, du findest immer die richtigen Worte. Das, was du über die Bewältigung der Vergangenheit schreibst, wird mir auch im Umgang mit Patienten helfen.

Liebe Grüße

Susanna

Offline Aristocats

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Re: Urschmerz
« Antwort #6 am: 13. Okt 2006, 13:29 Uhr »
Hallo, Ihr Lieben,

vielen Dank für Eure Beiträge.
Ja, Lutz, ich kann verstehen, wie Du das meinst. Ich frage mich doch dann, warum werden die Spieler nicht zu alten Spielen befragt, schließlich sollte man doch daraus lernen, und nichts ist ungewisser und spektakulärer als die Zukunft.
Mir wäre es recht, wenn ein Fuß vorwärts und der andere Rückwärts zeigt...

Leider hat mein Therapeut überhaupt keinen Zwischentermin frei, so dass ich damit wohl erstmal alleine stehe. Im Moment betrachte ich das allerdings nicht so bedrohlich, wie ich erst dachte. So sehe ich doch auch, dass ich nicht so schwach bin, wie ich dachte. Allerdings stehe ich zu meinem Schutz wohl erstmal im Nebel der Dissoziation. Die Tage erscheinen mir fremd und fern, irgendwie bin ich sehr unanwesend...

Ich schreibe sehr viel, um meinem emotionalen Druck ein Ventil zu bieten. Ob ich das mit meinem Therapeuten jemals alles aufarbeiten kann, wage ich allerdings zu bezweifeln, weil die Zeit ohnehin schon immer sehr knapp ist!
Vorrangig halte ich den Zusammenbruch erstmal für vorwärts, denn dadurch hatte ich wenigstens mal Kontakt mit diesem Schmerz, dem ich wohl sehr ausweiche. Nun habe ich immer neue Erkenntnisse, Ideen, aber auch Befürchtungen, die mir große Angst machen. Daher wohl auch das Gefühl, alles Innere ist irgendwie von einander getrennt. Aber es fühlt sich an, als laufen vertraut fremde Filme ab, Bilder tauchen immer wieder auf...irgendwie total spannend. Ich berichte meinem Therapeuten auch von meiner Not, habe aber gleichzeitig die Sorge, dass ich all die emotionalen Trancereisen dann nicht mehr habe, weil ich halt auch noch andere Probleme so mit Übertragung und so weiter und sofort habe....
Ich verlasse mich da auf meinen Therapeuten, er weiß von meinem Anliegen, nur bekommt sein Tag dadurch auch nicht mehr Stunden...irgendwie komme ich schon klar. Schließlich habe ich das ja schon mal überlebt.
Aber es ist unglaublich spannend.
Gibt es eigentlich das Phänomen, etwas so weit verdrängt zu haben, dass man auf Teufel komm raus beschwören würde, das sei einem nie passiert?? Ich hatte auch solche Erlebnisse, die sich lediglich durch Körpersprache verrieten. Bilder habe ich noch keine, aber ich vermute inzwischen, es gibt auch dazu eine Geschichte....
Ihr haltet mich sicher alle für bekloppt...oder?!!?

Bis dann
Gruß Anja

Offline MindCore

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Re: Urschmerz
« Antwort #7 am: 13. Okt 2006, 18:47 Uhr »
Moinsen,
Zitat
Ihr haltet mich sicher alle für bekloppt...oder?!!?
Nein, eher für einen Menschen der sein eigenes Verhalten gut reflektieren kann!   :)

Gruß Eddie

Offline Lutz

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Re: Urschmerz
« Antwort #8 am: 14. Okt 2006, 01:07 Uhr »
@ Susanna:
Ach du...  ;)

@ Anja:
Zitat
...irgendwie komme ich schon klar. Schließlich habe ich das ja schon mal überlebt.

Da sprichst du gelassen eine große Wahrheit aus: Erinnerungen sind immer nur ein Abklatsch einer vergangenen Realität, die du tatsächlich längst überlebt hast. Von daher kannst du etwaigen unangenehmen Erinnerungen so gegenübertreten:  :baeh: Sie kommen einfach zu spät, um noch was ausrichten zu können.

Zitat
Gibt es eigentlich das Phänomen, etwas so weit verdrängt zu haben, dass man auf Teufel komm raus beschwören würde, das sei einem nie passiert??

Genau das ist Verdrängung!   :)

@ Eddie:
Genau!

Lieben Gruß
Lutz

Offline Heikje

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Re: Urschmerz
« Antwort #9 am: 14. Okt 2006, 07:56 Uhr »
hallo Anja,

aus synergetischer Sichtweise würde man sagen, deine Seele will endlich von dem belastenden Material befreit werden. Sie schreit förmlich danach.
Du schreibst, du hast Ideen, Befürchtungen, vertraute fremde Filme, alles ein Zeichen, dass da etwas erlöst werden will.
Das Material ist nicht verschüttet, sondern brodelt bereits unter der Oberfläche.

Dass da etwas so sehr verdrängt wird, hat auch seine Berechtigung. Das System Anja muß in erster Linie funktionieren.
Auch sind in heftigen Erlebnissen oftmals Personen verstrickt, die man sehr liebt. Da genau hinzugucken würde vielleicht bedeuten, daß das ganze "heile" Weltbild den Bach runtergeht. Nach dem Motto, das kann und darf nicht sein.
Zitat
Ich hatte auch solche Erlebnisse, die sich lediglich durch Körpersprache verrieten.
Der Körper spricht die Wahrheit...

Zitat
Ihr haltet mich sicher alle für bekloppt...oder?!!?
ach Anja... wenn du wüßtest wie "bekloppt" wir alle selber sind  ;).
Die meisten haben so mehr oder weniger ihren ganz persönlichen "Urschmerz" im Gepäck und jeder muß schauen wie er damit fertig wird. Viele akzeptieren das wie ein Opferlamm und rennen ihr ganzes Leben verkorkst und zugedröhnt durch die Gegend.
Du schaust hin - das ist nicht bekloppt, sondern mutig !!  :)

liebe Grüße
Heikje

Offline Aristocats

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Re: Urschmerz
« Antwort #10 am: 16. Okt 2006, 19:25 Uhr »
Hallo zusammen,

dann scheint das ja aktuell ebenso notwendig, wie normal, befreiend, jedoch mindestens ebenso schmerzhaft zu sein.

Der Gedanke, dass ich das schon mal überlebte, macht mir Angst, denn eigentlich habe ich so keine "Lust" auf so viel Qual. Ich fühle mich schlapp und jenseits der Realität, möchte einfach nur weg und erlöst werden. Ich glaube, im Moment schalte ich mich wieder total weg. Vermutlich das innere Kind, und das reale... es gibt so viele Probleme in meinem realen Leben, dass ich schon gar nicht mehr kann...außerdem habe ich Angst, dass ich (wie es ja auch ist) letztlich doch wieder alleine da stehe. Ich kann nichts mit mir, den Nachrichten anfangen, denn ich fühle mich zusätzlich schuldig und verlogen... Ich weiß auch nicht, vielleicht verraten Gänsehaut und Übelkeit doch nicht so viel, wie ich mir einbilde.

Aber ich finde Eure Beiträge wirklich nahegehend, denn sie gehen mir unter die Haut. Anders kann ich es nicht beschreiben. Bitte mehr davon!

Lieben Gruß
Anja

 

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