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Autor Thema: Internationaler Hypnose-Kongress in Bremen 2012 - ein Nachruf  (Gelesen 8178 mal)

Offline Lutz

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Hallo zusammen,

vor etwa 2 Wochen ging der bisher angeblich größte Hypnosekongress in Bremen zuende - über 300 Vortragende, viele davon "mit Rang und Namen", über 2.000 Teilnehmer. Es handelte sich um eine der Öffentlichkeit nicht zugängliche Veranstaltung für im erweiterten Sinne Ärzte/Therapeuten.

Auch wenn dieser Kongress einem Fachpublikum vorbehalten war, bot er doch in seiner Außenwirkung einen guten Anlass, für Hypnose und deren Möglichkeiten zu werben. Und so hatten auch diverse Medien im Vorfeld und im Nachgang der Veranstaltung darüber berichtet. Und genau um diese Berichterstattung, soweit sie mir übers Internet zugänglich wurde, soll es hier gehen.

Zunächst allerdings eine allgemeine Anmerkung. Wer einen Kongress veranstaltet, darf ihn natürlich grundsätzlich nennen, wie er will; hier wäre es aber sachgerechter gewesen, von einem Hypnosetherapie-Kongress zu sprechen. Einen Kongress über Hypnose abzuhalten, um dann nur Ärzte/Therapeuten zuzulassen, ist so, als würde man einen Kongress zum Thema "Autofahren" anbieten, um dann nur Berufskraftfahrer einzuladen. Das Phänomen Hypnose ist ja nicht gleichbedeutend mit Hypnosetherapie, sondern ist außerhalb der Therapie viel verbreiteter. Damit meine ich nur unter anderem Lebensberatung und Showhypnose, aber auch Sportcoaching, Coaching überhaupt, Mitarbeitermotivation, Verkaufstraining, Pädagogik, den NLP-Bereich usw. Wenn eine Grundschullehrerin ihren Kindern in einer "Entspannungsstunde" eine "Traumreise" anbietet, dann ist das... aber egal.

Die Berichterstattung möchte ich in zwei Ausrichtungen sortieren, einmal die, die lediglich "neutral" über den Kongress berichtet - die interessiert mich hier nicht. Und dann gibt es noch die Berichterstattung, die die Gelegenheit nutzt, aus gegebenem Anlass auch ein paar Worte über die Hypnose zu verlieren. Um diese soll es hier gehen.

Denn da gibt es einen "Presseartikel", der immer wieder in mehr oder weniger modifizierter oder verkürzter Form auftaucht und nach meiner Wahrnehmung die zahlenmäßige "Standardmeldung" darstellt. Wer sie ursprünglich mal verfasst hat, war mir zu ermitteln nicht möglich, weil sie regelmäßig ohne Quellenangabe auftaucht:

http://www.radiobremen.de/wissen/themen/hypnose100.html

Ich habe dieses Beispiel gewählt, weil die eigentliche Meldung hier noch "nett garniert" ist - mit der Überschrift: "Schädigung durch Show-Hypnose", gefolgt vom Bild einer Showhypnoseveranstaltung.

In dem Artikel ist dann weiter zu lesen:

"Doch ob sie tatsächlich wirkt, dafür gibt es keine Garantie."

"Wir erleben immer wieder Patienten, die durch Show-Hypnose geschädigt wurden."

"Die Wirkung von Hypnose allein hält [...], Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an [...], außerdem für begrenzt. "Es ist Quatsch zu denken, man bekommt mit Hypnose das Trauma von vor 20 Jahren rausgekramt und dann ist man geheilt."

"Auch sollten die Erwartungen nicht zu hoch sein."

"Bei vielen wirkt Hypnose nicht."

"Etwa die Hälfte der Patienten spricht darauf an", erläutert der Leiter der Psychosomatik an der Uniklinik [...]. Damit bleiben viele, bei denen Hypnose nicht wirkt."


Und so frage ich (mich): Macht sowas "Appetit" auf Hypnose?  ???
Ich fühle mich bei all dem eher in manch frag-würdige Frage- und Antwortportale versetzt: "Hypnose ist gefährlich, geh mir weg damit! Funktioniert bei mir sowieso nicht, hähä. Mach lieber ne Therapie!" o.ä.

Pointe am Rande: Der Artikel beinhaltet auch eine Erfolgsgeschichte zur Hypnose, bei der in nur zwei Sitzungen eine Schmerzbefreiung erzielt wurde. Dies wird einer Hypnotiseurin zugeschrieben, die laut ihrer Internetseite gar keine Heilberechtigung hat und derartiges also gar nicht leisten dürfte. Verkehrte Welt, irgendwie...

Noch drastischer, weil komprimierter, kommen die Aussagen in manch verkürztem Artikel rüber, z.B. hier:

http://www.wdr2.de/panorama/hypnose100.html

"Hypnose soll bei vielem helfen. Doch ob sie tatsächlich wirkt, dafür gibt es keine Garantie.
Nicht jeder Patient ist hypnotisierbar. Nur etwa die Hälfte der Patienten spricht überhaupt darauf an. Damit bleiben viele, bei denen Hypnose nicht wirkt. Und ohne ordentliche Betreuung kann sie sogar schaden."


Einziges sich mir aufdrängendes Fazit wäre hier: Finger weg von Hypnose! Oder?

Wenn also demnächst mal wieder jemand beim Thema Hypnose "wissend" abwinken sollte, dann haben wir dies vielleicht der tollen Berichterstattung im Zusammenhang mit besagtem Kongress zu verdanken. Verkehrte Welt - aber das schrieb ich schon.

Lieben Gruß
Lutz

Offline Hypnotikum

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Re: Internationaler Hypnose-Kongress in Bremen 2012 - ein Nachruf
« Antwort #1 am: 02. Nov 2012, 13:12 Uhr »
Hi Lutz,

na das hat sich ja gewaschen....

zu ...Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie...
möchte ich mal anmerken, dass der ja evtl. gar nichts mit Hypnose als solches am Hut haben muß.
Er ist ja schließlich der Direktor und nicht der behandelnde Arzt der das (hoffentlich) ein wenig besser weiß.

zu "Es ist Quatsch zu denken, man bekommt mit Hypnose das Trauma von vor 20 Jahren rausgekramt und dann ist man geheilt."
Das ist erst mal richtig, wenn mann dabei berücksichtigt, dass
a) "...man bekommt mit Hypnose das Trauma von vor 20 Jahren rausgekramt ... " durchaus doch funktioniert
und
b) es dadurch nicht automatisch geheilt ist, sonder dann das Rausgeholte erst mal behandelt werden muß.
Vielleicht hat er das auch so gemeint 8)

zu "Etwa die Hälfte der Patienten spricht darauf an"
Da meint er warscheinlich nicht, dass die hälfte nicht zu Hypnotisieren seih, sondern dass die Therapie unter Zuhilfename von Hypnose nur in 50% der Fälle Früchte getragen hat.
Das ist nicht so unbedingt Werbung für 'seine' Klinik. Interressant wäre hier mal die Erfolgsbilanz anderer Methoden im gleichen Setting.

zu "Auch sollten die Erwartungen nicht zu hoch sein."
Das nenne ich mal perfektes Seeding  ;) Sag dem Patienten, '... das klappt warscheinlich nicht, aber wir probieren es trotzdem mal...' wird sicher von Erfolg gekrönt (vielleicht daher die 50%??? dann wären die allerdings noch ganz gut)

zu "Und ohne ordentliche Betreuung kann sie sogar schaden."
Ja, wenn der Hypnotiseur nichts taugt, wovon ich im Falle einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie hoffentlich mal nicht ausgehen muß...

Ich weiß ja nicht was er damit bezwecken wollte, aber die meisten, die Hypnose anwenden und in diesem Hypnosekongress drinn saßen, dürften die Ausführungen milde belächelt haben.
Schade eigentlich, dass genau sowas in der Presse breitgetreten wird.


LG Ralf


Enttäuscht vom Affen, schuf Gott den Menschen. Danach verzichtete er auf weitere Experimente. (Mark Twain)

Offline Lutz

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Re: Internationaler Hypnose-Kongress in Bremen 2012 - ein Nachruf
« Antwort #2 am: 02. Nov 2012, 14:33 Uhr »
Hallo Ralf,

Zitat
Ich weiß ja nicht was er damit bezwecken wollte, aber die meisten, die Hypnose anwenden und in diesem Hypnosekongress drinn saßen, dürften die Ausführungen milde belächelt haben.

dein Optimismus ehrt dich, ich für meinen Teil weiß da nicht so recht, wie ich darüber denken soll. Der zweite Link aus obigem Post führt ja auf eine Seite, auf der wir auch ein Interview des Veranstalters(!) hören dürfen. Und da wird behauptet, dass sich Hypnose zur Raucherentwöhnung eigne, aber weniger zum Abnehmen. Warum? Um abzunehmen müsse man wohl weniger essen...

 ???

Auch fand ich den Hinweis interessant, dass es für den Veranstalter neu gewesen sei, dass Hypnose/hypnotische Techniken auch bei Notfalleinsätzen (Erstversorgung) Anwendung findet. Derartige Bestrebungen gibt es in Deutschland schon seit Jahren, in den USA sowieso, wo sowas auch bereits im Studiendesign erfasst wurde. Auf einem Seminar vor gut 2 Jahren hatte ich einem sehr interessierten Rettungssanitäter versucht, dieses Thema näher zu bringen. Ich glaube also, dass [diplomatie on] im Bereich der Hypnose der individuelle Hintergrund sehr individuell sein kann [diplomatie off].

Lieben Gruß
Lutz

Offline MrKnowHow

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Re: Internationaler Hypnose-Kongress in Bremen 2012 - ein Nachruf
« Antwort #3 am: 02. Nov 2012, 16:52 Uhr »
Hallo hallo,
ich blicke immer sehr kritisch auf die sogenannte Öffentliche Berichterstattung.
Siehe die Zeitschrift BILD
Leider lesen die Menschen gerne Beiträge die ihre Meinung(wenn man dies überhaupt ihre Meinung nennen kann weil es ja meist eine Fremdmeinung ist ohne sich mit dem Thema in irgendeiner weise je beschäftigt zu haben)  bestärken.
Die Zeitungen bzw Berichterstatter haben ja bekanntlich Wirtschaftliche Interessen.
Und dann berichtet man halt über die Beiträge, die die Zielgruppe(oder den Großteil der Leser) ansprechen.
Zwar ist das denn nicht mehr eine Neutrale Berichterstattung aber sowas ist schwer nachzuweisen.

Edit:
@ Ralf:
Es wurde zwar beschrieben auf der Seite von Radio Bremen, dass sich 2000 Hypnose Experten dort treffen, jedoch glaube ich das dort eine Menge Ärzte mit bei saßen und Therapeuten die zwar vllt eine Hypnose Ausbildung genießen durften bzw mal einen Kurs gemacht haben aber dadurch nach meiner Auffassung keine Experten sind. Daher glaube ich auch eher weniger das es viele waren die solche Beiträge belächelt haben.
Ein Experte ist meiner Meinung nach jemand der Sich leidenschaftlich mit einer Materie beschäftigt und diese best möglich zu verstehen lernt und erforscht. Jetzt kann sich jeder ausmalen wie viele Experten nach meiner Meinung auf dem Kongress waren.

-Dies ist meine alleinige Meinung ich bitte dies auch so zu betrachten und sich seine eigene zu bilden-

mfg Daniel

Offline Hypnotikum

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Re: Internationaler Hypnose-Kongress in Bremen 2012 - ein Nachruf
« Antwort #4 am: 02. Nov 2012, 17:31 Uhr »
Hi zusammen,

dann finde ich das doppelt schlimm (traurig)

zum einen wird ein falsches Bild in die Öffentlichkeit getragen und zum anderen, was noch viel schlimmer ist, ist, dass offensichtlich, wenn man euch Beiden recht geben müßte, ein Großteil derer, die sich BERUFLICH IM MEDIZINISCHEN BEREICH mit dem Thema Hypnose abgeben, es auch nicht besser wissen.
Da bekommt man irgendwie ein komisches Gefühl dabei....

LG Ralf
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Offline Lutz

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Re: Internationaler Hypnose-Kongress in Bremen 2012 - ein Nachruf
« Antwort #5 am: 03. Nov 2012, 10:36 Uhr »
Hallo ihr,

Zitat
ein Großteil derer, die sich BERUFLICH IM MEDIZINISCHEN BEREICH mit dem Thema Hypnose abgeben, es auch nicht besser wissen.

so weit würde ich nun nicht gehen, aber es dürfte wohl eine Tatsache sein, dass Lehrinhalte auf der einen und der Grad der persönlichen Erfahrung und weitergehenden Auseinandersetzung mit dem Thema auf der anderen Seite stark variieren können mit der Folge, dass auch in einer "Expertenrunde" ganz unterschiedliche Meinungen und Wissensstände vertreten sein können.

Auf der Seite der "Deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie" heißt es in einem dort zitierten > Artikel < aus der Ärztezeitung von einem Prof. Dr. med, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapie:

"Zur therapeutischen Anwendung hypnotischer Methoden bedarf es eines vom Hypnotiseur strukturierten Ablaufs mit Einleitung und Rücknahme des Zustandes."

Das kann man in einem Seminar so einatmen und zum eigenen "Wissen" machen - oder man kennt sich eben mit Hypnose etwas besser aus und weiß, dass das in dieser Form Quatsch ist. Eine "Einleitung und Rücknahme des Zustands" (welches Zustands eigentlich?) ist nur eine Form der Anwendung "hypnotischer Techniken"; diese können aber auch z.B. "aus einem Gespräch heraus" erfolgen. Erickson selbst lieferte dafür zahlreiche Beispiele. Hypnotische Techniken im NLP erfolgen regelmäßig ohne Einleitung und Rücknahme eines Zustands usw.

Dies soll jetzt nur ein willkürliches Beispiel für verschiedene Sichtweisen auch in der Fachwelt sein. Daher denke ich, dass es auch unter den Kongressteilnehmern unterschiedliche Bewertungen der Presseartikel geben würde - darum ging es ja hier. :)

Lieben Gruß
Lutz

 

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