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Autor Thema: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen? später: Grundsatzfragen  (Gelesen 46053 mal)

Offline Lutz

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #30 am: 01. Dez 2008, 01:19 Uhr »
@ Rüdiger und Tom:

Interessante Fragestellung!  :)

Ich würde meine Arbeit mit Klienten nicht als "Führung" bezeichnen, sondern allenfalls als "Begleitung"; ein "Führer" würde nach meinem Verständnis vorne gehen und eben den Weg angeben. Ich gehe höchstens mal an der Seite, aber viel lieber noch hinterher. Das bezieht sich auf Inhaltliches, aber auch auf Fragen des Umgangs mit der Trance selbst, also z.B. eine Induktion.

Früher hatte ich aus der Literatur den Ansatz übernommen: In einer Trance sind Dinge (Veränderungen) möglich, die ohne Trance eben nicht (so) möglich sind; also müsse man eine Trance induzieren. Und das eben am besten und vielleicht elegantesten mit Pacen und Leaden. Also hatte ich brav den Atemrhythmus mitgemacht, auch noch andere Dinge gespiegelt, um dann eben tranceinduzierende Veränderungen per leaden einzuleiten. Und ich hatte zuvor natürlich artig das bevorzugte Repräsentationssystem des Klienten ermittelt und mich innerhalb dessen bewegt sowie utilisiert, was der Klient mitbrachte. Habe dann noch Dinge wie "Überkreuz-Spiegeln" integriert und das ganze weiter perfektioniert, z.B. mit analogem sprachlichen Markieren und was weiß ich noch alles.

Und es hat alles gut funktioniert, schien also "richtig" zu sein.

Ich bekam nur ein Problem: ich konnte für all das keinen mich überzeugenden Erklärungsansatz für das Warum und vor allem für eine Notwendigkeit dahinter finden. Ausschlaggebend dafür waren zahlreiche Erlebnisse mit Klienten, viele Überlegungen (z.B. warum funktionieren Selbsthypnose, Alltags- und auch Problemtrancen gänzlich ohne sowas?) und auch verschiedene Erlebnisse außerhalb der Hypnose, Einzelheiten erspare ich euch.

Einen wichtigen Punkt aber machten die Erfahrungen mit Barbara und ihren Reikisitzungen aus. Manche Leute gingen da anscheinend so dermaßen tief in Trance (teilweise mit Fotos und EEG-Messungen sowie natürlich durch persönliches Feedback dokumentiert), dass jeder Hypnotiseur, der sowas hätte erreichen wollen, stolz drauf sein könnte. Nur: es hatte ihnen niemand gesagt, dass sie überhaupt oder gar so tief in Trance gehen sollten, geschweige denn, dass man irgendwelche der obigen Techniken dazu eingesetzt hätte. Sie haben es ganz alleine gemacht.

Langer Rede kurzer Sinn: bei den meisten hypnotherapeutischen Interventionen mache ich gar keine (formalen) Tranceeinleitungen mehr, ich gebe den Klienten lediglich die Gelegenheit, die Zeit für eine Trance zu nutzen. Und das tun sie dann in aller Regel auch - was für mich auch nur logisch ist, denn wir gehen wohl übereinstimmend davon aus, dass Trance etwas ganz Natürliches ist, das ohnehin zum ganz gewöhnlichen Verhaltensrepertoire eines Menschen gehört.

Mit anderen Worten: ich gehe inwischen den umgekehrten Weg, ich spreche in spezifischer Weise mit den Klienten über ihr Thema und signalisiere ihnen, dass sie sich Zeit nehmen können. Dann kommt eine Trance meist ganz von allein. Und die geht dann auch wieder oder wird auch mal tiefer usw. Wenn ein Mensch doch alle Ressourcen zur Problemlösung bereits in sich trägt, warum muss ich ihm dann ausgerechnet bei einer Tranceerreichung helfen? Muss man gar nicht. Trancen werden in dem Maße und ganz von allein produziert, wie sie dem Klienten hilfreich sind. Das gilt übrigens auch für "Trancephänomene" - Handlevitation, Rückführungen usw. - geht alles ohne formale Tranceeinleitung.

Meine "Führung" (wenn man es denn überhaupt so nennen will) beschränkt sich also auf das Setzen einzelner Impulse, Ideen, Gedanken, auch was das Etablieren der Trance selbst angeht. Das ist übrigens nicht alles auf meinem Mist gewachsen, schon Rossi hatte in einem älteren Buch davon berichtet, dass er Klienten sagte, sie hätten nun Zeit, sich mal ihrem Problem und dessen Lösung zu widmen - und Ende mit Suggestionen.

@ Sascha:

Zitat
Wenn ich also nicht an der Ausführung besonderer Suggestionen und nicht anhand irgendeiner Skala, also nichts Augenscheinliches sehen kann wie tief mein Proband ist? Wie dann????? ???

Gegenfrage: wieso muss es denn überhaupt eine (verlässliche) "sichtbare" Skala für Trancetiefe geben? Gibt es eine solche Skala für "Wachheit"? Oder für "Schlaftiefe"? Trance bedeutet ja nur, dass da irgendwo im Gehirn jetzt irgendwas ein klein wenig "anders" arbeitet - warum soll man das von außen überhaupt sehen können?

Zitat
Ich meine in einem Somnambulismus befinden sich meine Probanden schon kurz nach dem Einleiten der Hypnose, denn sonst würden sie ja nicht mit geöffneten Augen meine Suggestionen ausführen!?!

Denk mal an den simplen "Händefalttest", der ja in der Regel ohne langwierige Tranceeinleitung durchgeführt wird. Und nehmen wir mal an, dass dieser bei einer Person sehr gut funktioniert. Die steht dann vielleicht vor dir und schimpft: "Mist! Was ist das denn? Wieso krieg ich meine Hände nicht mehr auseinander?" Und das natürlich mit geöffneten Augen. Ist der nun "somnambul"? Offene oder geschlossene Augen sind keinerlei Hinweis auf eine Trancetiefe. Und nur, weil jemand Suggestionen mit offenen Augen ausführt, muss er auch noch lange nicht somnambul sein.  ;)

Lieben Gruß
Lutz

Offline Seele

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #31 am: 01. Dez 2008, 07:18 Uhr »
Zitat
Und nur, weil jemand Suggestionen mit offenen Augen ausführt, muss er auch noch lange nicht somnambul sein.

Jetzt habe ich als unerfahrene aber auch mal eine frage.  :rotwerd:

Wenn ihr von somnambul redet ist das doch auch eine art der trance tiee oder? Wenn ihr also davon schreibt und aber meint das man sie nicht feststellen kann, woran merkt ihr dann das jemand im somnambulem Zustand ist?

Gruss Seele
Lebe dein Leben so wie du es für richtig hälst und lass dich nicht verbiegen.

Offline Susanne

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #32 am: 01. Dez 2008, 09:06 Uhr »


 :applaus:

So unspektakulär es klingt, was Lutz da schreibt , so unspektakulär geht es bei mir in der Praxis auch zu.

Die für die therapeutische Arbeit notwendige Trancetiefe reguliert sich ganz von alleine ein.

Was ich für viel relevanter halte, als Trancerituale aus der klassischen Hypnose, ist es, den Dreh zu finden, wie man diesen speziellen  Klienten, der da vor einem sitzt oder steht oder durch den Raum tigert,  aus seiner Problemtrance heraus in eine lösungsorientierte Trance bugsiert.

"Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen."
(Goethe)

Offline mr.actor

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #33 am: 01. Dez 2008, 12:51 Uhr »
@ Lutz u. Susanne:

Ich gehe davon aus, dass Ihr vollkommen richtig arbeitet und es würde mir auch in keinster Weise zustehen, hier etwas gegenteiliges zu behaupten, nur glaube ich, ist es noch nicht ganz klar geworden, dass wir unterschiedliche Ziele verfolgen.

Sicher gehört auch die Art, die Ihr beschrieben habt mit zum experimentieren und ich möchte dies auch auf jeden Fall ausprobieren, allerdings bin ich jetzt noch an anderer Stelle. Vielleicht sollte man meine jetzige Experimentierphase mit der Arbeit eines Showhypnotiseurs beschreiben, um zu verdeutlichen, welche Art der Experimente ich momentan durchführe. Und dafür meine ich, ist es durchaus sinnvoll, wenn ich ungefähr sehen kann, wie tief mein Proband in Trance ist.

Dass sich meine Probanden in diesem besagten Somnambulismus befunden haben, denke ich daran erkannt zu haben, dass sie nicht darüber geschimpft haben, ihre Hände nicht mehr lösen zu können, sondern vielmehr ihr gesamtes Erscheinungsbild!

- Sprechfaulheit
- keine komplexen Antworten auf Fragen
- verträumter oder gar starrer Blick auf mich gerichtet
- unbedingter Zwang, meinen Worten Folge zu leisten
- Feedback nach der Hypnose, dass z.B. kein Gedanke festgehalten werden konnte

Das alles lässt mich annehmen, dass der Proband in einer mittleren Trance ist. Mein nächstes Ziel ist jetzt, nachdem ich ihm gezeigt habe, dass er den Suggestionen folgen muss, obwohl er ja alles mitbekommt und sich durchaus darüber ihm klaren ist, dass es Blödsinn ist, dass er eben nicht rational mitschneidet, dass er etwas macht, was er im Wachzustand nicht machen würde. Mal wieder ein Beispiel aus der Showhypnose, weil ich einfach denke, dass das das Feld ist, in dem ich im Moment experimentiere; ich sage dem Probanden, dass er ein Topmodel ist und sich genau so auch nach außen hin präsentiert, wenn ich ihn jedoch auf die Schulter fasse, wundert er sich selbst, was er da macht!

Das bedeutet ja, das ist zumindest meine Meinung, dass er in dem Moment von der eigentlichen Handlung in der Trance gar nichts so richtig mitschneidet, also anders als bisher!

Ich hoffe, ich konnte noch ein wenig verdeutlichen, ohne mein Interesse an dem "anderen  Lager" visuell zu minimieren?!? ich möchte nur alles nach und nach probieren!

Gruß Sascha

Offline Lutz

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #34 am: 01. Dez 2008, 16:39 Uhr »
@ Seele:

Zitat
Jetzt habe ich als unerfahrene aber auch mal eine frage.  :rotwerd:

Nur zu, dafür ist das Forum ja da!  :)

Zitat
Wenn ihr also davon schreibt und aber meint das man sie nicht feststellen kann, woran merkt ihr dann das jemand im somnambulem Zustand ist?

Nehmen wir mal das Beispiel "Liebe", da gibt es ja auch unterschiedliche Abstufungen, vielleicht z.B. "vorne an verliebt", "mächtig verknallt" bis hin zu "tiefer Liebe". Dass es solche Abstufungen gibt, ist wohl unbestritten. Aber dass man nun in Bezug auf jeden "fremden" Menschen individuell an irgendwas "Äußerem" erkennen können soll, ob er sich überhaupt in einer der genanten Abstufungen befindet und wenn ja, in welcher, wage ich eben zu bezweifeln.

Natürlich könnte man jetzt sagen: 1-9 Rosen am Valentinstag: verliebt; 10-19: verknallt; 20 oder mehr: Liebe - aber kann man das verallgemeinern? Ich denke, nein.

Die nächste Frage ist (und das Folgende richtet sich auch schon an Sascha): was ist denn eigentlich Somnambulismus? Die einen sprechen von einem Zustand "völliger körperlicher Entspannung". Was bitte ist das, ein völlig entspannter Körper? Ohne Schließmuskel-, Herz-, Lungen- und Verdauungstätigkeit? Oder sind nur die Extremitäten betroffen? Wie dem auch sei - daraus ließe sich folgern, dass ein Mensch, der irgendwas körperlich tut, nicht in einem somnambulen Zustand sein könne.

Andere sprechen wieder von einem Zustand, in dem auch angeblich schwierige Suggestionen befolgt würden wie positive oder negative Halluzinationen. Damit werfen sie erstmal Trancetiefe und Suggestibilität in einen Topf, was man schon nicht tun sollte. Menschen sind schon suggestibel, ohne überhaupt in Trance sein zu müssen.  :) Und ohne das weiter auszuführen, behaupte ich, dass Menschen solche Halluzinationen auch schon in eher leichten Trancezuständen produzieren können.

Wer angesichts all dessen meint, den Somnambulismus oder andere Trancestadien "von außen" verlässlich erkennen zu können, der soll das ja gerne für sich in Anspruch nehmen, ich kann es jedenfalls nicht.

@ Sascha:

Mein Beitrag war als Antwort auf Rüdigers Fragestellung zum "Führen" in der Therapie gedacht. Ich wollte damit keineswegs zum Ausdruck bringen, dass andere auch so vorgehen sollen oder dass ich selbst das als (einzig) "richtig" ansehe. Und ich wollte insbesondere dir damit nicht sagen, dass du nun fortan ebenso handeln solltest.
Ich hätte auch die Beiträge ab der Führungsfrage abgetrennt und in einen neuen Thread gepackt, wenn es nicht immer noch Bezüge zu deiner Ursprungsfrage gegeben hätte.  ;)

Ich denke übrigens, dass es fernab von der Frage irgendwelcher "Lager" so viele unterschiedliche Auffassungen zur und Praktiken innerhalb der Hypnose gibt, wie es Hypnotiseure gibt. Und das ist gut so und kann von mir aus auch gerne so bleiben. Bedenklich ist sicher nicht die Vielfalt, bedenklich wäre wohl, wenn jemand behauptete, das einzig Richtige zu verkünden.  ;)

Lieben Gruß
Lutz

Offline Susanne

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #35 am: 01. Dez 2008, 17:59 Uhr »
@ sascha

Meine Auffassung von Hypnosetherapie umfasst ein eher dreidimensionales Modell der Hypnose - wo sich die Art und Weise wie ich mit einem Klienten arbeite - methodisch - irgendwo in diesem dreidimensionalen Raum verortet. Dieses Irgendwo ist abhängig von dem was dieser spezielle Mensch zu brauchen scheint, und umfasst das Spektrum  von der klassischen bis hin zur selbstgeleiteten Hypnosearbeit.

Ich verstehe deinen Wunsch, dich an der klassischen Hypnose entlang zu erproben irgendwie schon. Geht vielleicht jedem so, der/die sich dem Thema nähert.
Nur frag ich mich - was willst du damit?
Erfahren, was möglich ist? Hat was mit Macht zu tun  ;D    ?!

Fragt sich ob man alles machen soll, was machbar ist. Bloß um zu wissen das man es machen kann?

Was erfährst du, wenn du bei Person A eine negative Halluzination auslösen kannst? Dass diese Person sehr suggestibel ist. Und was hast du nu davon? Person B - mit der gleichen Technik von der gleichen Person Sascha hypnotisiert - wird nicht reagieren, oder nicht genaus so "tief" gehen, oder ganz anders reagieren.
Was sagt das über die Technik, über die Hypnose? Nur dass es nicht um Techniken geht, sondern um ein sensibles Eingehen und utilisieren dessen was dein Gegenüber an Erwartungen und Wünschen zu dir trägt. Und an Vertrauen.

Ich hab schon selbst erlebt, wie ein bekannter Hypnotiseur vergeblich eine Blitzhypnose an einem Probanden ausprobierte um ihn dann als "nicht suggestibel" einzustufen. eine halbe Stunde später habe ich in dem damaligen Setting eben diese Person innerhalb eines Momentes "umgeworfen". Weil ich ein besserer Hypnotiseur bin, als dieser showerfahrene Profi? Nö!
Weil ich einen guten Rapport zu dieser Person hatte und der Profi aber diese Person durch die "Macht" umnieten wollte und damit einen gesunden Widerstand in der Person ausgelöst hat.

Was mir persönlich an Suggestionen direkter Art und an autoritärem Vorgehen nicht so besonders behagt... Wer entscheidet eigentlich, was für die Person richtig ist?! Der Hypnotiseur??? Woher will der das denn wissen! Das Instrumentarium der Hypnosetechniken zu beherrschen heißt noch lange nicht, dass man die Psychodynamik eines Individuums ins seiner speziellen Lebenssituation kennt, geschweige denn dass man eine individuell richtige Lösung in Form von Suggestionen für dieses Individuum kennt. Ich zumindest maße mir nicht an, dass ich weiß was die richtige Lösung für mein Gegenüber ist.

Wenn du zum Beispiel mittels Suggestionen der Gelassenheit, Ruhe, Sicherheit, Esprit, guter Körpersprache usw. usf. deinem Kollegen ermöglichst, sich in Vortragssituationen wohl zu fühlen und gut rüberzukommen....
... wo bleibt dann der Sinn, den das "Symptom" Unsicherheit speziell dieser Situation Vortrag in sich trägt? (gerade wenn man bedenkt, dass er in einem anderen Setting offensichtlich sehr souverän sich präsentieren kann)
Und wohin geht dann die Dynamik/Energie dieses "weggemachten" Symptoms? Wo sucht es sich einen neuen Weg?

Experimentieren ist gut und schön... aber das Versuchskaninchen ist ein Mensch. Mit eigener Geschichte, mit einem bewußten aber eben auch mit einem unbewußten individuellen inneren Setting...




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(Goethe)

Barbara

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #36 am: 02. Dez 2008, 06:58 Uhr »
Zitat
Menschen sind schon suggestibel, ohne überhaupt in Trance sein zu müssen. :) Und ohne das weiter auszuführen, behaupte ich, dass Menschen solche Halluzinationen auch schon in eher leichten Trancezuständen produzieren können.

Sehe ich auch so. :)

Letzte Woche, ich war von einer Raucherpause auf dem Weg zurück in mein Büro, als mir ein Kollege auf dem hellen Flur entgegen kam. Ich habe ihn nicht gesehen und nahm ihn erst wahr, als er neben mir stand und mich direkt angesprochen hat. Er "tat" beleidigt, weil ich ihn scheinbar übersehen habe. Hätte ich versucht ihm zu erklären, dass er für mich in dem Moment wirklich nicht sichtbar war, er hätte mir wahrscheinlich nicht geglaubt.  ;D


@Sascha

Zitat
Ich hoffe, ich konnte noch ein wenig verdeutlichen, ohne mein Interesse an dem "anderen  Lager" visuell zu minimieren?!? ich möchte nur alles nach und nach probieren!

Jo, konntest du! Ich kann auch nachvollziehen, dass es ein absolut spannendes und faszinierendes Thema ist und du ausprobieren möchtest, was alles machbar ist. :)

Lieben Gruß
Barbara

Offline rüdiger

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #37 am: 02. Dez 2008, 10:40 Uhr »
...
Experimentieren ist gut und schön... aber das Versuchskaninchen ist ein Mensch. Mit eigener Geschichte, mit einem bewußten aber eben auch mit einem unbewußten individuellen inneren Setting...

Hallo Susanne,

Du hast, wie so oft, ganz klar die Bedenken geäußert, die man bei Hypnoseexperimenten hat. Es ist auch eine ethische Frage, ob ein Freiwilliger für solche Experimente, die keiner Supervision unterliegen, genau weiß, worauf er sich einläßt.

Ein heißes Thema ....

Freundliche Grüße
Rüdiger

Offline Lutz

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #38 am: 02. Dez 2008, 20:02 Uhr »
Hallo ihr,

ich denke, ein Problem kann dadurch entstehen, dass es - diplomatisch ausgedrückt - in der experimentellen / showhypnotischen Praxis wohl meist eine Trennung zwischen hypnotischen Fertigkeiten und psychologischem Hintergrundwissen gibt.

Ich habe mal in einem Fernsehbeitrag einen Showhypnotiseur gesehen, der ließ auf der Bühne eine offenbar von ihm engagierte Stripperin sich entkleiden (real!) und gab dabei seinen Probanden die Suggestion, es handele sich um deren Mutter. Und nun konnten sich alle an deren völlig entsetzten und entgleisten Gesichtern ergötzen - ganz großes Kino!

Ich will dem Hypnotiseur dabei zugute halten, dass er offenbar ohne jegliches psychologisches Verständnis gehandelt hat und nicht mal im Ansatz wusste, dass er mit so einer Aktion dauerhaft ins Zentrum der psychologischen Identität seiner Probanden eingegriffen hat, nämlich in das Verhältnis zur eigenen Mutter.
Warum "dauerhaft"? Weil dieser Eingriff mit Beendigung der Show ja nicht vorbei ist. Mit einer Tranceeauflösung werden die während einer Trance gemachten Erfahrungen ja nicht "gelöscht", sondern verbleiben mindestens unbewusst erhalten und werden also Bestandteil eines Erfahrungsschatzes, der das zukünftige Handeln und Erleben bestimmen wird.

Wer einem Probanden in einem vermeintlich harmlosen Experiment suggeriert, bestimmtes NICHT zu können (aufstehen, Arm beugen, Namen nennen), installiert eben auch über die Dauer des Experiments hinaus die "wirkliche gelebte" Erfahrung des Nicht-Könnens einfachster Dinge, d.h. er könnte damit ungewollt einer erwünschten, durch Kompetenzerwerb und Handlungsautonomie gekennzeichneten psychologischen Reifung eines Menschen entgegen wirken.

Wer sich darüber hinaus mit dem Bereich der Psychotherapie beschäftigt, weiß, wie oft "kleinste" und eigentlich "unscheinbarste" Erlebnisse manchmal große und lebensbestimmende einschränkende Wirkungen haben können. Da ist es nur verständlich, wenn man manche Hypnoseexperimente mindestens skeptisch beurteilt, denn die damit verbundene Trance erhöht die Wahrscheinlichkeit einer wie auch immer gearteten Fortwirkung von Suggestionen - das macht sich ja die Hypnosetherapie zunutze.

Es wäre also vielleicht wünschenswert, wenn sich jemand erst mal ein paar Jahre mit solchen Dingen beschäftigte, bevor er mit der praktischen Hypnose beginnt. Aber in einer Zeit, da man über ebay für 9,95 € von einem Heilpraktiker(!) zum zertifizierten Hypnotiseur und Rückführungsexperten "ausgebildet" wird und man auf Videoportalen mit Demonstrationen und Anleitungen zur Blitzhypnose zugeschüttet wird, wird dies ein frommer Wunsch bleiben müssen.  :)

Da kann es ein bisschen trösten, dass auch "zweifelhafte" Suggestionen ja nicht zwangsläufig zu Beeinträchtigungen führen müssen. Im Gegenteil hat der Mensch ja offenbar durchaus die Fähigkeit, sich von destruktiven Einflüssen/Suggestionen abzuschotten. Aus der Forschung um z.B. die Spiegelneuronen weiß man, wie sehr sich ein Mensch etwa im Fernsehen beobachtetes Verhalten anderer Menschen "in seinem Gehirn" zueigen macht - ohne aber deswegen gleich zum Gewalttäter zu werden oder sonstige Beeinträchtigungen zu erfahren. So "einfach" ist es mit einer möglichen Schädigung also auch nicht.

Was kann man angesichts all dessen tun?

Wir können versuchen, z.B. mit diesem Forum für Interessierte einen ganz kleinen Beitrag zu leisten, um zu sensibilisieren und auf die ganze Komplexität des Themas "Hypnose" hinzuweisen, die die methodische Fragestellung z.B. einer Ein- oder Ausleitung von Trance weit übersteigt. Dabei kann dies nur Angebot sein für Leute, die eben auch mehr wissen wollen als nur, wie man jemanden hypnotisiert.

@ Sascha:

Bei dir hab ich übrigens den Eindruck, dass du wirklich auch an den Hintergründen (Psychologie) und nicht nur der Hypnose interessiert bist – und das find ich gut.  :)

Lieben Gruß
Lutz

Offline mipooh

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #39 am: 03. Dez 2008, 03:25 Uhr »
Ich habe schon Psychologen erlebt, die zwar viele in der Psychologie gelehrte Konzepte verstanden, aber nicht in der Lage waren, eine Partnerschaft mit anderen Menschen einzugehen. (Partnerschaft hier nicht im zweigeschlechtlichen Sinne)
Selbes trifft durchaus auch auf Ärzte, Sozialarbeiter, Pflegekräfte und wie sie alle heissen zu, die so in den therapeutischen Teams moderner Psychiatrie zu finden sind. Rüdiger wird mir das (vielleicht lieber insgeheim) bestätigen können, aber auch jeder andere, der in Psychiatrien oder mit Kollegen aus dem Kreis der psychologisch Tätigen gearbeitet hat.

Natürlich kann ich mich nicht freimachen von psychologischem Wissen und ich kann kaum einschätzen, inwieweit dies mich, meine Einstellungen, mein Leben beeinflusst. Aber mir scheint doch, dass nur zu einem kleinen, eher vernachlässigbaren Teil, das Wissen um psychologische Konzepte grundlegend für einen verantwortungsvollen (oder meinetwegen partnerschaftlichen) Umgang mit Klienten sind. Ist da eine grundsätzliche Wertschätzung vorhanden mögen all diese Konzepte Möglichkeiten eröffnen, die ansonsten ungezielter, rein intuitiv eingesetzt worden wären oder gar nicht bestanden hätten. Da kann ein gewisser Vorteil drin liegen und sicher macht dies Professionalität im besten Sinne aus.

Es ist nur keine Garantie. Ebensowenig wie im Einzelfall Unprofessionalität gleichzeitig geringere Qualität, schlechtere Ergebnisse, bedeuten muß.
Ein schwieriges Thema, gerade wenn man viele Pfeifen und nur wenige echte Profis im Profilager kennt...
Gewohnheiten brauchen Gewöhnung...

Offline Susanne

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #40 am: 03. Dez 2008, 08:36 Uhr »
Sicherlich hast du recht und ich kenne ebenso "schlechte" Psychiater, "schlechte" Psychologen wie ich auch "schlechte" Elektriker, Orhopäden, Lehrer, Mütter, Köche, Banker, Rechtsanwälte usw. usf kenne.

Ebenso wie "Gute"

Ebenso wie excellente Laien, die manchem Profi was vormachen können.


Das geht aber an dem vorbei was ich zum Ausdruck bringen wollte

Und was Rüdiger neben der Ethik des Experimentierens mit Menschen unter dem Begriff "Supervision" auf ein gutes Stichwort runtergebrochen hat.


Die Tatsache, dass es schlechte Profis und gute Laien gibt, kann  doch kein Freifahrtschein sein für ungebremstes "Tun was Machbar ist".

Und im Bereich Hypnose sehe ich mit Erschrecken, dass die Entwicklung genau dahin geht.
"Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen."
(Goethe)

Offline rüdiger

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #41 am: 03. Dez 2008, 20:53 Uhr »
Hallo,

dass wir über diese Problematik so offen diskutieren, ist ja eigentlich ein gutes Zeichen.  Lutz hat  durchaus einen Kompromiss aufgezeigt.

Zumindest sollte jeder, der mit Hypnose und Menschen experimentiert (oder es lernt), eine "innere" persönliche Supervision anstellen, d.h. immer selbstkritisch bleiben, und sich nie über vielleicht empfundene Macht über die Psyche von ihm hypnotisierter Menschen freuen.

Das ist meine Meinung.

freundliche Grüße
Rüdiger

Barbara

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Re: Warum hat sich mein Proband nicht vertiefen lassen?
« Antwort #42 am: 03. Dez 2008, 21:15 Uhr »
Hallo,

Zumindest sollte jeder, der mit Hypnose und Menschen experimentiert (oder es lernt), eine "innere" persönliche Supervision anstellen, d.h. immer selbstkritisch bleiben, und sich nie über vielleicht empfundene Macht über die Psyche von ihm hypnotisierter Menschen freuen.

dem kann ich mich voll anschließen!

Ich möchte aber auch noch erwähnen, da diese Diskussion in einem von Sascha eröffneten Thread stattfindet, dass ich Sascha für einen sehr verantwortungsbewussten Menschen halte. Und ich zu keiner Zeit das Gefühl hatte, dass du, Sascha, dich und dein Tun nicht immer wieder selbstkritisch hinterfragst. :)

Lieben Gruß
Barbara

Offline mr.actor

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Hallo Leute!
Eeeeendlich ist es mir wieder einmal möglich, mich wieder zu Wort zu melden. Ich hatte leider wenig Zeit in den letzten Tagen, zumindest wenig Zeit online, aber dazu in anderen Themen mehr….

Vorab, ich hatte es ja Lutz bereits per Mail geschrieben, weil er mir als Ausdruck seiner Sorge eine kleine Nachricht schrieb, - hier nochmal vielen Dank, das zeigt, dass Du Deinen Job als Admin durchaus ernst nimmst ;)- , dass ich keineswegs geknickt oder beleidigt bin! Ich verstehe Eure Kritik sehr wohl und kann sie auch durchaus nachvollziehen.
Ich möchte auch keineswegs alles machen was möglich ist. Ich denke meine persönliche ethische Schwelle ist durchaus höher als die von so manchen Probanden von mir. Ich versuche dadurch  eine möglichst strenge Supervision meiner Arbeit durch mich selbst zu realisieren, weil mir durchaus bewusst ist, dass ich mit Menschen arbeite.
Natürlich ist mir ebenfalls klar, dass ich trotz dieser hohen Hürde nicht wirklich, eben wegen des noch fehlenden psychologischen Backgrounds, dafür garantieren kann, dass ich meinen Probanden negative Sachen aufbürde, jedoch denke ich, dass es sich dabei eher um schlechte Träume handelt, als tiefe Verhaltensänderungen oder Psychosen. Das mit den Träumen ist übrigens eine Erfahrung aus meinen letzten Versuchen. Und genau das ist ja das, was ich erfahren möchte….was kann mir bei meinen Suggestionen während der Hypnose passieren, bzw. was löse ich unbewusst mit manchen Suggestionen beim Probanden aus.
Also, ich denke Ihr habt schon längst verstanden was ich meine, und dass ich Eure Kritik durchaus richtig verstehe und sie auch gerne lese und versuche in mich aufzusaugen, denn genau das ist doch das was ich will! LERNEN, LERNEN, LERNEN. Dazu brauche ich Euch genau so wie meine freiwilligen Probanden, mit denen ich vorab so viele Gespräche wie möglich halte, um so viele Eventualitäten wie möglich aus dem Weg zu schaffen. Denn ich möchte, dass meine Probanden, die mir so viel geben, indem sie sich mir öffnen und für meine Erfahrung zur Verfügung stellen, ein so positives Erlebnis mit aus den Sitzungen nehmen, dass sie genau wie ich, reich an Erfahrung und guter Laune aus diesen Sitzungen gehen und die wunderbare Kraft ihres Unterbewusstseins jederzeit mit Hilfe anderer Hypnotiseure nutzen können.
LG
Sascha 

 

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