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Autor Thema: Wenn der Klient innerlich blockiert  (Gelesen 17213 mal)

Offline Ella

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Wenn der Klient innerlich blockiert
« am: 17. Nov 2013, 13:27 Uhr »
Hallo,
ich bin eben erst auf dieses Forum gestoßen und neugierig, ob es für mich das richtige ist. Ich habe seit einigen Jahren eine Hypnosepraxis und momentan einen Klienten mit Angsstörung. Die erste Entspannungshypnose schien gut funktioniert zu haben (mit ideomotorischer Bewegung). Bei der zweiten Hypnose allerdings schien der Klient zu blockieren. In sein Angstgefühl konnte er absolut nicht reingehen (natürlich haben wir das vorher besprochen), bzw. meinte er, ihn habe sein hoher Puls gestört... (sprich: er hat sich gegen den hohen Puls, der doch Symptom seiner Angst ist, gewehrt, um statt dessen die Angst zu spüren... was natürlich nicht funktionierte). Ich ließ ihn in die Regression gehen und er sagte, er sieht überhaupt nichts und weiß auch nicht, was da los sein könnte.
Ich änderte meine Vorgehensweise und ließ ich ihn sein Symptom sich vorstellen wie einen ungebetenen Gast und bat ihn, mir zu beschreiben, wie der aussieht. Wieder: "Ich sehe gar nichts." Da war mir dann klar, dass er total blockiert.
Der Klient hat kaum Zugang zu seinen Gefühlen, ist einer, der immer lacht und grinst, auch im Gespräch wehrt er alles ab, was über das Verstandesmäßige hinaus geht. Nicht mit "Absicht", sondern weil er sich einfach nicht drauf einlassen kann, es ist ihm zu abwegig. Aber andererseits hat er sich ja eine Hypnosetherapie schließlich selbst ausgesucht. Und die erste Hypnose hatte ihm auch für einige Tage gut geholfen (Angst war für einige Tage weitgehend weg).
Ich denke, er WILL zu sehr und strengt sich einerseits zu sehr willentlich an, andererseits erwartet er aber auch wieder, dass die Hypnose ihm die Angst weg zaubert.

Nun glaube ich nicht, dass er mit einer reinen Symptombehandlung mit Hilfe von Suggestionen sein Problem dauerhaft in den Griff bekommt; ich möchte gern ursachenorientiert und auflösend arbeiten. Aber dafür muss er erstmal seine Angst abrufen und sich einlassen können.

Hat jemand eine Idee, wie man an so einen Menschen heran kommt? Er sagt ja "Ich will ja", aber es klappt einfach nicht.

Ich bin gespannt, ob jemand eine Antwort dazu hat, offenbar ist ja nicht so richtig regelmäßig Betrieb hier :-)

Ella

Offline Lutz

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #1 am: 17. Nov 2013, 15:47 Uhr »
Hallo Ella,

grüß dich hier! Ob das hier das richtige Forum für dich ist, kannst nur du entscheiden. ;)
Und der Betrieb hier im Forum steht und fällt natürlich mit dem Eingang interessanter Themen - so wie dem deinen.

Ganz offensichtlich gibt es bei diesem Thema zwei Parteien. Die eine will, dass ihr die Angst weggezaubert wird, die andere will aber was anderes, nämlich ursachenorietiert und auflösend arbeiten. Nun kommt es zum Kräftemessen. Er will seine Angst loswerden, du willst, dass er im Gegenteil seine Angst abrufen soll. Wer zieht den Kürzeren? Natürlich du.

Auch ich arbeite gerne ursachenorientiert, schon deswegen, damit sich der Klient selbst besser verstehen kann und nachvollziehen kann, dass die Entstehung seines Problems ihre Gründe und innere "Logik" hat und (meist) eben nicht Folge eines psychischen Defekts oder eines individuellen Fehlers ist. Und viele willigen auch in eine solche Vorgehensweise ein - aber längst nicht alle.

Manche machen gleich ganz am Anfang klar: "Aber kommen Sie mir nicht mit Kindheit und so 'nen Scheiß, das will ich nicht!" Oder: "Mit 15 gab es da was Traumatisches, aber ich will nicht, dass das hier auf den Tisch kommt."

An der Stelle kann ich dann versuchen, den Klienten zu überzeugen oder zu manipulieren oder anderweitig so lange zu formen, bis er mir in meine Vorstellungswelt passt - oder ich versuche, mich eben auf den Klienten einzustellen und z.B. rein lösungsorientiert zu arbeiten: "Wen interessiert denn Ihre Kindheit? Vor mir sitzt doch wohl ein Erwachsener, oder täusche ich mich da?" (Und damit wäre schon eine erste Suggestion zur Dissoziation von möglichen problembehafteten Kindheitserinnerungen gegeben.)

Zitat
Aber dafür muss er erstmal seine Angst abrufen und sich einlassen können.

Muss er? Muss er nicht. Und genau das zeigt er dir mit seinen Reaktionen, die auf mich wie ein einziger ausgestreckter Mittelfinger wirken: "So nicht, meine Liebe!" Der Klient sitzt bei solchen Konstellationen immer am längeren Hebel.  :)

Und er wird typischerweise rationalisieren und (Schein-) "Argumente" für dich und seinen Verstand finden, die belegen, dass es so doch nicht funktionieren kann - z.B. wegen des bösen Pulses. Eine Klientin meinte mal zu mir, sie könne sich auf meinen Stühlen nicht entspannen, weil ihr Mann in seinem Arbeitszimmer doch so einen ähnlichen Stuhl habe...

Eine Lösung kann wohl nur darin bestehen, dass du deine Herangehensweise änderst und an seine Bedürfnisse anpasst. Dafür hast du in deinem Beitrag verschiedene Anhaltspunkte geliefert, die du auf Klientenseite utilisieren könntest, ohne - in welcher Form auch immer - auf eine Konfrontation und einen emotionalen Kontakt auf seine Angst abstellen zu müssen:

Wenn er ständig grinst und lacht: "Sie sind ja locker drauf! Da können wir mal was Komisches tun. Lassen Sie uns mal die Plätze tauschen und jetzt bin ich mal derjenige mit der Angst und Sie sind der Therapeut. Und jetzt sitze ich hier und warte darauf, dass irgendwas passiert, damit es mir gelingt, zukünftig so zu leben, wie ich es tatsächlich verdient habe. Können andere ja auch. Ich hab zwar keine Ahnung, wie ich das machen soll, ich weiß nur, dass ich das kann - sonst wär' ich ja nicht hier, denn was andere Menschen können, kann ich ja auch. Was könnte also passieren, damit diese blöde Angst endlich weggezaubert wird? Und dabei ist es mir auch egal, wer die Angst wegzaubert, ob Sie das für mich tun oder ob ich das eben selbst erledigen muss. Was meinen Sie also, wie geht das wohl am besten?"
Selbst wenn er da nichts zu sagen hätte, hast du damit einen Haufen Suggestionen in den Raum gestellt, während denen er höchstwahrscheinlich nicht an seinen Puls gedacht hat.

Oder darauf aufbauend, dass die Angst schon mal weitgehend weg war, vor dich hinsinnierend und dabei seine Position übernehmend: "Ich wundere mich ja immernoch darüber, dass die Angst tasächlich schon mal viel weniger geworden ist. Wie kann sowas sein? Ich hab - ehrlich gesagt - keine Ahnung, wie das passieren konnte, aber irgendwie scheint die Angst im Laufe der Zeit ein bisschen faul geworden zu sein. Da unterhalten wir uns, machen ein bisschen Hypnose und schon ergreift die Angst die Gelegenheit, sich vorübergehend mal aus dem Staub zu machen. Vielleicht wurde die Angst woanders auch dringender benötigt? Kennen Sie jemanden, der die Angst zukünftig besser brauchen kann als Sie? Und wenn Sie dem die Angst verkaufen würden, was wollten Sie dafür haben?"

Oder seine "emotionale Blockade in Bezug auf Gefühle" selbst nutzend: "Wenn man sich von emotionalen Dingen und Gefühlen so gut distanzieren kann wie Sie, wird das auf Dauer für so eine Angst natürlich schwierig. Nicht dass Sie plötzlich auch anfangen, sich von der Angst zu distanzieren. So eine Angst kann ja nur existieren, wenn man tief in seinem Innern offen für Emotionales und Gefühlsduselei ist. Wenn das bei Ihnen aber inzwischen anders geworden sein sollte, wird es wohl eher früher als später dünn für die Angst..."

Bei "informellen" Trancen wird sein Puls nicht stören. Und während dieser kann er auch gerne rumalbern.

Oder du arbeitest mit Metaphern oder oder oder... Nur würde ich auf Techniken verzichten, die seine unmittelbare emotionale Auseinandersetzung mit seiner Angst erfordern. Daran würdest du dir vermutlich die Zähne ausbeißen - und das muss ja nicht sein.  ;)

Zitat
Aber andererseits hat er sich ja eine Hypnosetherapie schließlich selbst ausgesucht.

Das schon, aber dass er sich dabei so intensiv und emotional mit seiner Angst auseinandersetzen soll, das hast du für ihn ausgesucht. Darauf würde ich also verzichten.

Übrigens - manchmal sind Klienten "weiter", als wir es ihnen zutrauen; vielleicht braucht er tatsächlich nur noch einen "äußeren Grund", um sich dauerhaft seiner Ängste entledigen zu können - z.B. so eine Zauberhypnose...

Lieben Gruß
Lutz

Offline mipooh

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #2 am: 17. Nov 2013, 16:53 Uhr »
Ich hätte auch keine Lust Probleme zu analysieren um keine mehr zu haben... erscheint mir auch nicht logisch...
Reicht doch wenn die weg sind!
Gewohnheiten brauchen Gewöhnung...

Offline Hypnotikum

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #3 am: 17. Nov 2013, 20:40 Uhr »
..offenbar ist ja nicht so richtig regelmäßig Betrieb hier :-)

Das trügt...
Manchmal kommt man kaum mit dem lesen hinterher.

Grüß dich hier im Forum

Ralf
Enttäuscht vom Affen, schuf Gott den Menschen. Danach verzichtete er auf weitere Experimente. (Mark Twain)

Offline Ella

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #4 am: 17. Nov 2013, 22:30 Uhr »
Hallo Lutz,

vielen Dank für deine ausführliche, konstruktive und hilfreiche Antwort!
Die wichtigste Bedingung, die ich mir in einem Forum wuensche, ist vor allem Konstruktivitaet und gegenseitiger Respekt. Der erste Eindruck ist schonmal positiv :-)

Da ich eine psychotherapeutische Praxis habe, sind bei mir die Klienten, die kein Interesse haben, Auslöser/Ursachen in der Vergangenheit aufzulösen, eher selten. So einige gibt es, die haben mehr mit der Kindheit am Hut als mir lieb ist ;-) Da  ich die Erfahrung habe, dass Auflösung in vielen Fällen viel nachhaltiger wirkt, als die reine Lösungsorientierung (die ansonsten aber immer meine Leitlinie ist), halte ich es grundsätzlich für eine gute Vorgehensweise. Die Einwilligung des Klienten (die nicht nur widerwillig oder "überredet" sein darf), immer vorausgesetzt. Daher habe ich natürlich auch hier vorher ausführlich mit dem Klienten darüber gesprochen und er fand das gut so. Von meiner Seite findet an der Stelle (hoffentlich :-)) keine Manipulation in Richtung meiner Vorstellung der Therapie statt, sondern ich mache aufgrund dessen, was vom Klienten kommt, einen Vorschlag (wenn er einen solchen will), den ich natürlich begründe, und schaue, wie der Klient reagiert, findet er das gut oder nicht. (Die meisten Klienten fragen mich nach der von mir empfohlenen Vorgehensweise). Insofern glaube ich momentan nicht, dass an der Stelle schon der Fehler lag, denn er hat eingewilligt. Du hast aber natürlich recht, dass das Abrufen der Angst im Gegensatz zu dem steht, was der Klient möchte.
Ich bin mir nicht sicher, ob es hier ein Missverstaendnis gab bei dem, was ich geschrieben habe. Ich schrieb, der Klient "muss" seine Angst abrufen. Damit meinte ich nicht, dass jeder Klient das generell bei der Behandlung muss, ob er will oder nicht! Ich meinte damit, wenn der Klient ursachenorientiert und auflösend arbeiten moechte, muss er das.
Originellerweise hat das Abrufen im Vorgespräch tatsächlich funktioniert.

Was mich jetzt interessiert, ist deine Ansicht, er muss auch dann nicht, wenn man ursachenorientiert arbeiten will. Kennst du Möglichkeiten, nachhaltig auflösend zu arbeiten, ohne an die belastenden Gefühle gehen zu müssen? Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, dass der Weg ueber die belastenden Gefuehle der einzige ist (den ich kenne), der zuverlaessig zu den aufzuloesenden Ursachen/Ausloesern fuehrt. Ich würde mich sehr freuen, andere Wege, die an die Ursachen fuehren, kennen zu lernen, die fuer Klienten weniger belastend sind.

Herangehensweise ändern: Genau. Deine Anregungen sind sehr schoen. Besonders anregend fuer diesen Klienten erscheint mir deine dritte Idee (Blockade nutzen). Ich gebe dir recht, dass die direkte Auseinandersetzung mit der Angst fuer diesen Klienten nicht passend ist. Ich muss aber auch sagen, dass ich ein Problem damit habe, einfach nur "suggestiv zu zaubern". Es kommt mir vor als wuerde ich gegen Kopfschmerzen eine Tablette geben anstatt zu helfen, auf Dauer den Stress zu reduzieren, der die Nackenverspannung verursacht. Der Klient geht dann zwar glücklich raus und es geht ihm fuer einige Zeit besser. Aber bei nächster Gelegenheit kommt das Symptom wieder. Ich bin überzeugt, dass jedes Symptom seinen Sinn hat und dass dieser gefunden und erfüllt werden sollte. Erst dann machen - fuer mich - reine Suggestionshypnosen bei tief sitzenden Belastungen Sinn.
Schön finde ich auch deine Anregung mit den Metaphern. Das mache ich generell nicht so viel, dabei ist es eine tolle Sache. Ich werde mir mal Gedanken machen.

Danke und viele Grüße,

Ella

Offline Lutz

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #5 am: 18. Nov 2013, 20:34 Uhr »
Hallo Ella,

Zitat
Insofern glaube ich momentan nicht, dass an der Stelle schon der Fehler lag, denn er hat eingewilligt.

ich würde zunächst überhaupt nicht von einem Fehler sprechen; wenn eine attraktive Hose nicht passt, muss man halt was anderes an- oder ausprobieren.  ;)
Und eine "verstandesmäßige" Einwilligung ist ja schön und gut, aber wenn unbewusste Prozesse da nicht mitspielen, dann wird es eben (noch) nicht klappen, da kann ja auch der Klient nichts dafür.

Zitat
Ich schrieb, der Klient "muss" seine Angst abrufen. [...] Ich meinte damit, wenn der Klient ursachenorientiert und auflösend arbeiten moechte, muss er das.

Das sehe ich nicht so. Er muss sich bei einer Ursachenorientierung notgedrungen "intellektuell" mit dem Thema beschäftigen, aber er muss nicht "in sein Angstgefühl reingehen", wie du schriebst.

Beispiel aus der Praxis: Eine Klientin erwähnt "am Rande", dass sie Angst vor Hunden habe. Meine Frage nach ihrem ersten erinnerten Angsterlebnis mit Hunden lässt sie daran erinnern, dass sie als Kind bei einem Bauernhof einkaufen musste, und da war ein "missgünstiger" Hund, der ihr zwar nie was getan hatte, der ihr aber Angst gemacht hatte. Weitere Fragen ergeben zusammengefasst: Der Hund war gar nicht das Problem, Problem war, dass sie ihrer Mutter davon erzählte und dass diese sie überhaupt nicht ernst genommen und sie immer wieder dahin geschickt hatte. Selbst als die Klientin in ihrem Protest über eine Stunde für den 15 Min.-Weg brauchte, wurde sie immer wieder, die Tränen ignorierend, der Situation ausgesetzt. Hierin manifestierte sich ein Grundmuster im Verhalten der Mutter dem Kind gegenüber, wofür Hunde lediglich als Hinweisreiz oder Anker fungierten. Nach der Sitzung verbrachten wir noch einige Zeit gemeinsam auf der Straße, weil sie unbedingt einem fremden Hund begegnen wollte - leider kam keiner.

Oder eine andere Klientin mit "panischer Angst vor Spinnen" - Haus mit großem Garten, aber alle Fenster sind mit Netzen hermetisch abgeriegelt, auch im Sommer dürfen weder Fenster noch Türen "einfach so" offen stehen. Auch hier ergibt die Frage nach ihrem zeitlich ersten erinnerten Spinnenerlebnis, dass sie als Kind auf dem Rasen lag, als eine (angeblich) Spinne in ihr Ohr krabbelte. Wenn ich es richtig erinnere, die Sitzung ist schon etwas her, rief sie nach ihren Eltern, die aber nicht reagierten. Hier wurden Spinnen zu einem Symbol kindlicher Hilflosigkeit verbunden mit dem Gefühl des Alleingelassenseins. Am Ende der Sitzung suchte die Klientin im nahen Wald nach Spinnen, aber wir fanden keine (immer, wenn man mal Tiere braucht, sind keine da...). Sie begnügte sich also damit, sich Spinnenfotos auf dem Laptop anzusehen, was ihr nun - erstmalig - möglich war.

Ich habe meinerseits die Erfahrung gemacht, dass es ganz entscheidend ist, dass Klienten die Entwicklung ihrer Angst "verstehen" und diese sozusagen als "logisch" einordnen können; so wird aus diesem diffusen, durch Hilflosigkeit und Zweifeln an der eigenen Psyche geprägten Gefühl etwas "Greifbares", das man dann auch hinter sich lassen kann - jetzt, da man weiß, wie der Hase läuft. Dazu braucht es nicht mal (formale) Trance. Oder ein Hineingehen in die Angst.

Neben der Frage nach dem ersten erinnerten Ereignis könnte man auch ideomotorisch mit Fingerbewegungen fragen oder pendeln lassen. Manchmal nutze ich eine Technik, die ich mir Erickson abgeguckt habe: Man bietet dem Klienten verbal verschiedene Möglichkeiten an und achtet einfach auf dessen Reaktionen:
Sowas kann natürlich aus dem Arbeitsbereich kommen, vielleicht mit dem Chef oder mit den Kollegen zusammenhängen (keine Reaktion) oder sowas entsteht im Familienkreis, da ist es ja auch nicht immer ganz einfach (Klient verschränkt die Arme), manchmal hängt das mit dem Vater zusammen, mit man sich ja besser oder auch schlechter verstehen kann (keine Reaktion) oder auch mit der Mutter, für die das genauso gilt (Klient schluckt) und sowas ist auch in ganz verschiedenen Lebensphasen möglich, z.B. als kleines Kind (keine Reaktion) oder irgendwann während der Pubertät (Klient kratzt sich an der Nase) usw... Auch wenn ein Mund nicht sprechen will, der Körper eines Klienten spricht ja die ganze Zeit zu uns.

Manchnmal funktioniert auch: Jetzt kommt was komisches. Sagen Sie mal spontan, womit Ihr Problem ganz bestimmt NICHT zusammenhängt! Auch darauf habe ich schon weiterführende Antworten erhalten, offenbar überwindet das NICHT eine Art Sperre, so dass sich das Unbewusste legitimiert sieht, unter dem Schutz dieses "Nicht" einen tatsächlichen Zusammenhang ansprechen zu dürfen...

Zitat
Ich muss aber auch sagen, dass ich ein Problem damit habe, einfach nur "suggestiv zu zaubern".

Wenn ich von Suggestionen spreche, dann meine ich übrigens keine simplen "Wegmach-Zaubersuggestionen" sondern solche, die einen lösungsorientierten Prozess im Klienten begünstigen sollen.

Lieben Gruß
Lutz

Offline Ella

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #6 am: 19. Nov 2013, 01:04 Uhr »
Hallo Lutz,

Zitat
Und eine "verstandesmäßige" Einwilligung ist ja schön und gut, aber wenn unbewusste Prozesse da nicht mitspielen, dann wird es eben (noch) nicht klappen, da kann ja auch der Klient nichts dafür.

Da geb ich dir vollkommen recht.

Zitat
Das sehe ich nicht so. Er muss sich bei einer Ursachenorientierung notgedrungen "intellektuell" mit dem Thema beschäftigen

Hm, okay... Ich ging bisher immer davon aus, dass die intellektuelle Auseinandersetzung damit zu wenig ist. Oft habe ich Klienten sagen hören "Ich habe drei Jahre Therapie gemacht und weiß jetzt, wo meine Probleme her kommen, aber das nützt mir überhaupt nichts."

Zitat
Neben der Frage nach dem ersten erinnerten Ereignis könnte man auch ideomotorisch mit Fingerbewegungen fragen

Stimmt ja! Da hätt ich auch selber drauf kommen können... ;)  Ich schätze den Klienten momentan allerdings so ein, dass er auch diese blockieren wird. Aber einen Versuch ist es wert.

Zitat
Manchmal nutze ich eine Technik, die ich mir Erickson abgeguckt habe: Man bietet dem Klienten verbal verschiedene Möglichkeiten an und achtet einfach auf dessen Reaktionen

Das ist ja raffiniert. Ich achte zwar immer sehr deutlich auf Haltung und Körperausdruck, aber in diesem Zusammenhang, mit "Wahlmöglichkeiten" habe ich das noch nicht praktiziert. Eine tolle Idee!

Zitat
Manchnmal funktioniert auch: Jetzt kommt was komisches. Sagen Sie mal spontan, womit Ihr Problem ganz bestimmt NICHT zusammenhängt! Auch darauf habe ich schon weiterführende Antworten erhalten, offenbar überwindet das NICHT eine Art Sperre, so dass sich das Unbewusste legitimiert sieht, unter dem Schutz dieses "Nicht" einen tatsächlichen Zusammenhang ansprechen zu dürfen...

Ich muss schon sagen, du hast sehr vielfältige Ideen *denHutZieh* Es ist einfach sehr bereichernd, mal eine ganz anderes Sichtweise bekommen. Manchmal steht man einfach auf dem Schlauch  ::). (Ich hoffe, dir selbst geht es zumindest dann und wann auch mal so ;)) Dann genügt die eine oder andere gute Anregung und es fließt wieder. Ich freu mich, danke!

LG,
Ella

Offline Lutz

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #7 am: 19. Nov 2013, 14:34 Uhr »
Hallo Ella,

Zitat
Oft habe ich Klienten sagen hören "Ich habe drei Jahre Therapie gemacht und weiß jetzt, wo meine Probleme her kommen, aber das nützt mir überhaupt nichts."

solche Aussagen kenne ich auch. Dies scheint mir aber darin begründet, wie im Kontext einer Therapie mit derartigen Erkenntnissen umgegangen wird. Wenn man die Bedingungen und Zusammenhänge eines Symptoms (mit einiger Wahrscheinlichkeit) herausbekommen konnte, kann man im begründeten Einzelfall verdeutlichen, dass die unerwünschte Reaktion im Kontext seines Erlebens eine völlig "normale und gesunde" Reaktion ist (systemischer Ansatz...), weil die menschliche Psyche auf diese oder jene Einflüsse eben so reagiert, wie sie nun mal reagiert - dies alles mit der Folge, dass der Klient also völlig o.k. ist, wie er ist. Wenn man jemanden in der Wüste aussetzt, ist es ja nicht sein "Fehler", wenn er Blasen an den Füßen und einen Sonnenbrand bekommt; er wurde lediglich einer Situation ausgesetzt, für die er ohne weiteren Schutz nicht gebaut ist. Und dies kann man ihm auch vermitteln.

Wenn man aber - und das tut "der Therapieapparat" nach meiner Wahrnehmung gerne - solche Erkenntnisse nur als "Zwischenstufe" begreift, um nun 10, 20 oder auch mal 40-80 Therapiestunden zur angeblich notwendigen "Reparatur" folgen zu lassen, dann kann sich ein Klient für so eine Erkenntnis natürlich erstmal gar nichts kaufen.

Mich rief mal ein Mann an, der völlig am Boden zerstört war. Er suchte unbedingt und dringend einen Therapieplatz, weil es so nicht weitergehen könne. Den bekam er in absehbarer Zeit natürlich nicht. Also erklärte ich ihm brav, dass ich ihm da mangels Heilberechtigung nicht helfen dürfe usw. Er schien zu verzweifeln. Also bot ich ihm ein kostenloses Gespräch an, um ihm die Hypnose und deren Möglichkeiten und Grenzen zu erklären, damit er sich dann ggf. einen Hypnose-Therapeuten suchen könne. Er willigte dankbar ein.
So trafen wir uns und er erzählte mir von seinem Leben, in dem er nach seinen Angaben von Anfang an verarscht wurde - von Eltern, Geschäftspartnern und Frauen, bis er auch noch bestohlen und um sein Erbe gebracht wurde - Stoff für ein ganzes, deprimierendes Buch. Dabei erwähnte er beiläufig, dass er doch aber ein Mann sei und daher keine Gefühle haben, geschweige diese zeigen dürfe. Aktuell war er deswegen besonders verzweifelt, weil er im Kontakt mit einem jungen Mann aus dem entfernten Familienkreis immer besonders traurig werde und den Tränen nah sei.
Ich hielt daraufhin einen längeren Monolog über die menschliche Psyche, wie und warum diese in diesen oder jenen Situationen so und so reagiere und warum die Ergebnisse nicht immer gewünscht seien usw. Und es schien mir offensichtlich, dass er in diesem jungen Mann sich (unbewusst) selbst sähe, weil dieser in einer vergleichbar haltlosen Situation sei, wie er es in dem Alter damals gewesen war.

Er hörte still, sehr interessiert, aufmerksam und ohne Zwischenfragen zu. Dann zeigte er mir, dass er verstanden hatte. Ihm wurde jetzt vieles klarer und er führte von sich aus weitere Erlebnisse und Empfindungen an, die das Gesagte stützten. Eine große Erleichterung machte sich in ihm sichtbar breit und seine Stimmung wechselte deutlich in eine positive. Er bedankte sich sehr und dann kam die Frage dieses (therapieerfahrenen!) Mannes: "Wie oft muss ich denn jetzt zu Ihnen kommen?"

Ich erinnerte ihn nochmal daran, dass ich ihn nicht behandeln dürfe und wolle und dass wir uns hier in einem kostenlosen Informationsgespräch befänden. Allerdings ergänzte ich auch, dass ich selbst mit einer Heilberechtigung nicht wüsste, was ich denn mit ihm noch groß anstellen solle (was tatsächlich auch stimmte). Und dann kam "die" Frage: "Wie - Sie meinen, ich bin gesund???"

Nun werde ich mich hüten, schon aus rechtlichen Gründen so eine Frage zu beantworten, und das erklärte ich ihm auch. Aber ich fragte ihn im Gegenzug, was er denn selbst meine. Er überlegte kurz und kam dann zu dem Ergebnis, dass er tatsächlich ein ganz normaler Mensch sei!
Als wir uns dann auf der Straße verabschiedeten, passierte etwas, das ich nun gar nicht erwartet hatte. Er fragte mit feuchten Augen: "Darf ich Sie mal umarmen?" Und so drückte er mich fest und herzlich und fuhr dann gut gelaunt davon.

Was ich mit all dem sagen will: Man kann mit Erkenntnissen eben auf allen Seiten "so oder so" umgehen.

Zitat
(Ich hoffe, dir selbst geht es zumindest dann und wann auch mal so ;) )

Na klar doch, Schläuche sind mir durchaus vertraut!  :)
Aber (nicht nur) dann nutze ich gerne auch die "Heilschlaf-Hypnose" (www.heilschlaf-hypnose.com).

Lieben Gruß
Lutz

Offline Ella

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #8 am: 19. Nov 2013, 17:28 Uhr »
Hallo Lutz,

da die Systemik meine therapeutische Heimat ist, verstehe ich sehr gut, was du meinst. Deine Geschichte ist sehr schön. Allerdings ist es halt auch mit den "völlig normalen und gesunden Reaktionen" so, dass ihr Preis irgendwann einmal zu hoch wird, sonst wären die Klienten nicht da. Aber manchmal mag es tatsächlich genügen, ein Reframing der Sichtweise herbeizuführen. Ich liebe es, wenn die Klienten sagen "So hab ich das noch nie gesehen."

Mein Klient war übrigens heute da. Für mich war es sehr hilfreich, durch all die Anregungen mich wieder handlungsfähig zu fühlen. Ich saß sozusagen wieder mit gut gefülltem Werkzeugkasten da. Gemacht habe ich von all dem... nichts! Wie es halt meistens ist, wenn man sich was vornimmt. Denn es kamen plötzlich ganz andere Themen, die gerade vorrangig waren. Und plötzlich kam: "Ich habe meinen Vater gefragt, ob da was war mit..."(das einzige, was er in der letzten Hypnose sehr undeutlich und kurz ohne Zusammenhang gesehen hat). Und tatsächlich, da war... (ich schreibs jetzt nicht, da man nie weiß, wo die Klienten im Internet rumlesen und ich ja auch Schweigepflicht habe). Er kam also auf diese Weise nun doch auf etwas, womit wir wunderbar arbeiten können. Weiterhin erzählte er mir einen sehr intensiven Traum (ich hatte ihn gebeten, auf seine Träume zu achten), der einen weiteren großartigen Hinweis gab und im Gespräch zu einem weiteren Auslöser vor einigen Jahren führte, der ihn zu seiner eigenen Überraschung noch immer sehr belastete, und der Zeitpunkt war, seitdem er seine Gefühle nicht mehr zulässt! Übrigens sehr verständlich und gesund. Mich hat diese Sitzung ganz schön mitgenommen.

Alles in allem war das heute eine sehr erhellende Sitzung (die ganz ohne formelle Trance verlief) mit vielen Ansätzen zum weiter machen. Und all das Werkzeug? Wartet auf seinen Einsatz bei diesem oder einem anderen Klienten.  :)

Liebe Grüße,
Ella

Offline Lutz

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #9 am: 20. Nov 2013, 01:11 Uhr »
Hallo Ella,

Zitat
Allerdings ist es halt auch mit den "völlig normalen und gesunden Reaktionen" so, dass ihr Preis irgendwann einmal zu hoch wird, sonst wären die Klienten nicht da.

ja klar; normal und gesund ist ja eben nicht gleichzusetzen mit angenehm oder erstrebenswert, sondern kann halt auch leidvoll sein. Und dann setzt (hoffentlich) der Wunsch nach Hilfe ein.

Ansonsten: schön, dass dein Klient und du weitergekommen seid! Das klingt doch vielversprechend!  :)

Lieben Gruß
Lutz

Offline Ella

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #10 am: 20. Nov 2013, 10:31 Uhr »
Lieber Lutz,

wenn du magst, lass ich dich wissen, wie es am Ende ausging. Ich finde, Angststörungen sind manchmal wunderbar behandelbar, manchmal aber auch schwer oder gar nicht zu knacken (zu transformieren). Erstmal bleib ich dran :-)

Liebe Grüße,
Ella

Offline Lutz

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #11 am: 20. Nov 2013, 20:52 Uhr »
Hallo Ella,

ist doch immer interessant zu lesen, wie sowas weitergeht - gerne also!  :)

Lieben Gruß
Lutz

Offline Ella

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #12 am: 10. Feb 2014, 00:45 Uhr »
Hi Lutz,
wie versprochen hier Fortsetzung und Ende. Die Therapie verlief letztlich wunderbar. Wir haben in der Vergangenheit aufgelöst, was aufzulösen war, ohne dass er in seine belastenden Gefühle gehen musste. Wir haben in der Gegenwart mit seiner Zukunftsangst gearbeitet und dabei seine momentane Lebenssituation stabilsiert. Wir haben sein inneres Kind versorgt und eine Verstrickung aufgedeckt und aufgelöst, und suggestiv an seinem Selbstbewusstsein gearbeitet. Nach acht Sitzungen war er weitestgehend angstfrei. Ich hoffe, er bleibt stabil. Er will sich in einigen Wochen wieder melden und berichten.
LG, Ella

Offline Lutz

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Re: Wenn der Klient innerlich blockiert
« Antwort #13 am: 10. Feb 2014, 02:25 Uhr »
Hallo Ella,

danke, dass du Wort gehalten und über den Fortgang berichtet hast! :)

Das befriedigt nicht nur unsere Neugierde, sondern ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie konstruktiv und hilfreich eine solche Therapie sein kann - auch und gerade bei (scheinbar) schwieriger Ausgangssituation.

Lieben Gruß
Lutz

 

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