Hypnose wirkt nicht!?

[Lutz]

Aus einer gestrigen Veröffentlichung des "Deutschlandfunk" unter der Überschrift "Forschung Aktuell - Trügerische Hoffnungen" zum Thema "Fettleibigkeit und Abnehmen":

"Abhilfe versprechen sich viele Betroffene von diversen Schlankmachern, doch ein Professor der englischen Universität von Exeter hat eine enttäuschende Nachricht für sie. Auf dem Pariser Weltkongress für Therapien gegen Fettleibigkeit präsentierte der Wissenschaftler das ernüchternde Ergebnis, dass kaum ein Mittel wirkt..."

Dazu der Wissenschaftsjournalist Winkelheide:

"Er hat auch alternative Verfahren unter die Lupe genommen, wie Akupunktur und Hypnose. Er sagt, eigentlich gibt es nichts, was man wirklich empfehlen kann. Denn die meisten Mittel haben keine Wirkung, oder nur eine sehr geringe, verglichen mit dem Placebo-Effekt, also mit dem Effekt, den man hat, wenn man nur ein Scheinmittel gibt."

Quelle: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/502659/

Es geht mir dabei garnicht speziell um diese Quelle, denn ähnliches ist ja auch anderweitig zu lesen. Dennoch nehme ich sie zum Anlass zu behaupten:

1.
Natürlich kann Hypnose beim Thema "Abnehmen" mit gutem und dauerhaftem Erfolg eingesetzt werden. Dann nämlich, wenn es gelingt, unter Würdigung der individuellen Konstellation eines Klienten/Patienten in aktiver Zusammenarbeit mit diesem ganz persönliche Wirkfaktoren zum Gegenstand einer Veränderungsarbeit zu machen.

2.
Natürlich kann Hypnose beim Thema "Abnehmen" nicht erfolgreich sein. Dann nämlich, wenn ohne Ansehen der individuellen Persönlichkeit eines Klienten/Patienten und dessen tatsächlicher Motivation zur Veränderung diesem stereotyp Suggestionen verabreicht werden. Dann wird es in manchen Fällen zu Erfolgen kommen, in vielen aber auch nicht, was am Ende einer statistischen Unwirksamkeit entspräche.


Ebenso könnte man fragen: Verbessert eine Beinprothese die Lebensqualität?
Natürlich wird man hier für eine Antwortfindung sich ausschließlich auf den Kreis beschränken, zu dem eine Prothese überhaupt passen könnte - weil etwa nur ein gesundes Bein da ist.

Im Bereich der Hypnose scheint man aber anders vorzugehen: zunächst wird pauschal die These aufgestellt, dass Hypnose gefälligst für alle Menschen (und deren Anliegen) gleich wirksam sei, um dann ggf. hinterher festzustellen, dass das nicht stimmt. Gesteht man nun ein, dass die angenommene These falsch war? Nein, putziger Weise wird behauptet, dass Hypnose nicht funktioniert! 

Würde man aber eine Vorauswahl treffen und die Beurteilung an eine Klientel knüpfen, die für eine Hypnose (-therapie) potenziell geeignet scheint, würde die Erfolgsquote beeindruckend hoch sein - denke ich. Was denkt ihr? 

Lieben Gruß
Lutz

[Miraculus]

"Was denkt ihr?"
Daß der gute Professor sich eine bessere "Lupe" hätte nehmen sollen - 

LG Miraculus

[Tom]

Hallo, wieder mal dieses "leidige" Thema. Mir begegnen so Menschen, wie dieser wichtige Professor sehr häufig (vielleicht sollte ich mich mal fragen warum  ).

Ich gebe Dir völlig recht Lutz.

Folgende Fragestellungen sind bei solchen Untersuchungen in der Regel nicht berücksichtigt:
Wer hypnotisiert wen, zu welchen Zweck, zu welcher Zeit, unter welchen Bedingungen, mit individuellen oder vorgefertigten Strategien, usf usf .

Ich lese gerade ein Buch über die Sufis. Sehr interessant, daß dort im Zusammenhang mit dem begriff des Lernens etwas sehr ähnliches steht. Man kann nicht irgendeine "Sufitechnik" nehmen und auf dasselbe Problem anwenden, welche schonmal funktioniert hat. Jede Sufigeschichte ist speziell für eine bestimmte Person gedacht und dabei für einen bestimmten Kontext zu einer bestimmten Zeit.

An solchen "Forschungen" finde ich immer doll, daß in der Regel nicht die ursprüngliche Motivation des Forschenden erläutert wird. natürlich sind unsere "Wissenschaftler" immer sehr objektiv und haben nicht schon vorher das im Auge, was sie beweisen wollen  .

Bandler sagte einmal: Suche die Beweise für deine These - und du wirst sie finden: Suche die Beweise gegen eine These - und du wirst sie finden! Suche nach all den Dingen in deinem Leben, die nicht klappen, und du wirst sie finden (Pessimist); suche nach all dem Guten in deinem Leben, und auch das wirst du finden (Optimist).
Genau das sind doch unter anderem die Punkte, die Erickson so wichtig waren. Modern spricht man hier ja von Ressourcenorientiert.
Es gibt fast immer Zeitpunkte, wo Allergiker keine Allergien verspüren und Depressive nicht traurig sind (und wenn es nur im Schlaf ist); aber diese Momente werden diesen Personen nicht bewußt.

Unser geehrter Herr Professor hat sich wahrscheinlich nicht mit Physik beschäftigt. Wo schon seid Heisenberg bekannt ist, das der Beobchter das Experiment beeinflusst (ob er will oder nicht).  Wenn der mal ganz tief in sich schauen würde, könnte er feststellen daß er die Wirkung der Hypnose sogar bewiesen hat; nämlich bei sich selbst - er ist erfolgreich seiner Autosuggestion gefolgt  .

HiHiHi

Tom.

[Lutz]

 

Oft ist es ja auch ein bestimmtes, allgemeinverbindliches Kriterium wissenschaftlicher Forschungsarbeit, das der Hypnose "das Bein bricht": die Reproduzierbarkeit (das meint, dass ein Forschungsergebnis nur dann "valide", also gültig und bewiesen ist, wenn es überall auf der Erde unter identischen Bedingungen jederzeit wiederholt werden kann).

Dies führt dann oft dazu, dass z.B. die Einleitung als unentbehrlicher Bestandteil der Hypnose standardisiert wird, etwa in Form einer Tonbandaufzeichung. Nun wissen wir aber, dass eine Tranceeinleitung ein sehr individueller Vorgang ist und tunlichst dem Klienten/Probanden individuell angepasst werden sollte.

So wird dann aber nur bewiesen, dass mit einer Standardeinleitung überall gleich schlechte Ergebnisse zu erwarten sind. Die Hypnose entzieht sich eben einer so angelegten wissenschaftlichen Forschung, die z.B. für physikalische Versuche ihre Berechtigung haben mag, aber eben nicht für alle Verfahren übertragbar ist.

Lieben Gruß
Lutz


P.S.
Mein UB hatte eben noch einen netten Schreibfehler eingebaut:

"Nun wissen wir aber, dass eine Tranceeinleitung ein sehr individueller Vorgang ist und tunlichst dem Klienten/Probanden angespasst werden sollte."

Recht hat es! 

[Miraculus]

Zitat Lutz:

Oft ist es ja auch ein bestimmtes, allgemeinverbindliches Kriterium wissenschaftlicher Forschungsarbeit, das der Hypnose "das Bein bricht": die Reproduzierbarkeit (das meint, dass ein Forschungsergebnis nur dann "valide", also gültig und bewiesen ist, wenn es überall auf der Erde unter identischen Bedingungen jederzeit wiederholt werden kann).

Dies führt dann oft dazu, dass z.B. die Einleitung als unentbehrlicher Bestandteil der Hypnose standardisiert wird, etwa in Form einer Tonbandaufzeichung. Nun wissen wir aber, dass eine Tranceeinleitung ein sehr individueller Vorgang ist und tunlichst dem Klienten/Probanden individuell angepasst werden sollte.

Was man ja sehr schön deutlich an der experimentellen Hypnose sieht, wie sie seit langem betrieben wird. 


Aber wir waren ja bei der Hypnotherapie. Vielleicht sind die genannten Probleme Schwierigkeiten, die mehr oder weniger für jede Psychotherapie gelten...schließlich ist das immer ein besonderer, einzigartiger Vorgang.

LG Miraculus

[Miraculus]

Ein wichtiger Punkt könnte eventuell sein, daß Hypnose und Hypnotherapie oft gar nicht unterschieden werden. Die Hypnose-Behandlung wird oft als reine Suggestiv-Behandlung angesehen, wie damals bei der Schule von Nancy (ich will diese Form der Therapie nicht schlechtmachen).

Es hat sich noch nicht allgemein durchgesetzt, daß es inzwischen eine Reihe neuer Entwicklungen gegeben hat. Selbst in Büchern über Psychiatrie und klinische Psychologie wird Hypnose oft immer noch generell mit "reiner" Suggestion gleichgesetzt.

LG Miraculus

[Lutz]

Ich lese gerade ein recht neues Büchlein (ersch.: 2005) von Gunther Schmidt (MEG) zur systemischen Hypnotherapie, in dem dieser in dem Zusammenhang auch einen erweiterten "Trance-Begriff" einfordert, der ausdrücklich auch jene äußerlich "scheinbar" unveränderte Zustände umfassen soll, während derer aber auf dem Nährboden vorher gegebener Suggestionen eine "andere" Informationsverarbeitung (rechtshemisphärischer, mehr analoger) stattfindet. Also solche Zustände, die dadurch entstehen, dass ein Hypnotiseur so komisch quasselt und einen anders draufbringt, ohne dass sich eine konventionelle Trance mit geschlossenen Augen, Bewegungslosigkeit usw. einstellt.

Diese Forderung halte ich nicht nur für angemessen, sondern auch für dringend geboten, aber eine Folge hat sowas eben auch: je komplizierter wir das Ganze handhaben, desto schwerer ist es für Außenstehende nachzuvollziehen, was da denn nun eigentlich passiert.

Wieviel einfacher zu bewerten ist doch im Vergleich dazu eine "handfeste Trance": Der Hypnotiseur mit mystischem Blick macht "Buh!" und der Proband fällt um und ist in Trance - ja, darunter kann man sich was vorstellen...

Aber Hypnotiseure, die nicht mehr hypnotisieren, und Klienten, die nicht mehr in Trance gehen - und das soll noch was mit Hypnose zu tun haben? Wer soll das verstehen? 

Lieben Gruß
Lutz