Gedächtniswunder

[Lutz]

Hi ihr,

als Phänomen der Trance kennen wir u.a. die "Hypermnesie", also die Fähigkeit, sich an zum Teil kleinste Details unseres bisherigen Lebens erinnern zu können, an die wir in "wachbewusstem Zustand" nicht wieder "rankommen" würden.

Vor diesem Hintergrund wird darüber spekuliert, wie viele Details unser Gehirn wirklich dauerhaft abspeichert und ob dies vielleicht sogar "alles" jemals Erlebte/Wahrgenommene sein könnte.

Zu diesem Thema bin ich heute Nacht in einen für mich sehr interessanten ARD-Fernsehbeitrag hineingestolpert.

http://www.radiobremen.de/tv/dokumentationen/expedition_gehirn/gedaechtnis.html

Es ging darin unter anderem um den Kinofilm "Rain Man". In diesem spielt Dustin Hoffman einen Autisten. Und ich erfuhr, dass es für diese Figur tatsächlich eine "reale Entsprechung" gibt.

Es gibt einen Amerikaner, Autist, der als schwer behindert galt (kann sich z.B. nicht allein anziehen) und bei dem eine Untersuchung seines Gehirns ergab, dass dieses von einem normalen Gehirn in mancher Hinsicht abweicht. Verschiedene Teile sind in Größe und Beschaffenheit ungewöhnlich ausgeprägt und das "corpus callosum", eine Verbindung zwischen den Hirnhälften, fehlt ganz.

Aber: dieser Mensch vergisst nichts (vereinfacht gesagt) - und hat auf alles einen bewussten Zugriff! Den Inhalt der 12.000 von ihm gelesenen Bücher kann er wörtlich wiedergeben. Sämtliche jemals gelesenen Geschichtsdaten oder Sportergebnisse hat er binnen 1 Sek. drauf. Übrigens liest er Bücher so, dass er mit dem linken Auge die linke Seite liest und mit dem rechten Auge die rechte. Für eine Doppelseite braucht er ca. 8 Sek.

Diese und auch die erstaunlichen Fähigkeiten anderer Personen wurden dort vorgestellt und im Film eindrucksvoll dokumentiert. Inwischen wurde der wirkliche "Rain Man" nicht nur von Medizinern, sondern auch von der NASA untersucht.

Für mich rückt dadurch in greifbare Nähe, dass das menschliche Gehirn vielleicht sogar in der Lage ist, tatsächlich ALLES zu speichern, was es jemals aufgenommen hat. Zwar haben wir ein "anderes" Gehirn, als dieser Rain Man, aber es zeigt mir, dass "im Prinzip" die graue Masse da oben wohl tatsächlich über so eine gewaltige Gedächtnisleistung verfügen kann.

Aber Schlüsse daraus muss natürlich jeder für sich selbst ziehen. 

Was wollt ich jetzt noch schreiben? Mmmh - hab ich vergessen... 

Lieben Gruß
Lutz

[Miraculus]

Hi Lutz,

Verschiedene Teile sind in Größe und Beschaffenheit ungewöhnlich ausgeprägt und das "corpus callosum", eine Verbindung zwischen den Hirnhälften, fehlt ganz.

gibt es bei dem Mann dann überhaupt eine Verbindung zwischen den Gehirnhälften? Ich stelle mir das seltsam vor wenn nicht.
Habe mal gehört daß Leute, bei denen diese Verbindung auch nur zum Teil durchtrennt ist ein bißchen wie dissoziierte Persönlichkeiten sind.

Den Inhalt der 12.000 von ihm gelesenen Bücher kann er wörtlich wiedergeben.

 

Für eine Doppelseite braucht er ca. 8 Sek.

Da dürfte das Verlagswesen ja seine helle Freude an ihm haben. 


LG Miraculus

[Lutz]

Hi Miraculus,

Habe mal gehört daß Leute, bei denen diese Verbindung auch nur zum Teil durchtrennt ist ein bißchen wie dissoziierte Persönlichkeiten sind.

über die konkreten Folgen im Hinblick auf "Persönlichkeit" oder Anderes ist mir nichts bekannt. Weiß nur, dass mitunter Epileptikern in schweren Fällen besagtes corpus callosum durchtrennt wurde, um zu verhindern, dass ein in einer der Hirnhälften entstehender Herd sich auf die andere Hälfte ausbreiten kann.

Ob speziell bei dieser Person "überhaupt" eine Verbindung zwischen den Hemisphären besteht, wurde nicht gesagt.

Und ob das Verlagswesen jubilierte, auch nicht (es gibt ja auch Büchereien). 

Lieben Gruß
Lutz

[Lutz]

Es gibt einen Amerikaner, ...

Nachtrag dazu: wie es der Zufall will, war der heute Abend live im ZDF bei "Kerner". Im Gefolge Prof. Roth, der nun ausdrücklich formulierte: "Das Gehirn behält alles, was es jemals erlebt hat."

Ich find's interessant festzustellen, dass die Neurowissenschaft sich nach meinem Eindruck einer zunehmenden Beliebtheit erfreut. Man stößt mehr und mehr auf populärwissenschaftliche Artikel und nun auch auf Sendungen, die die Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit präsentieren. Da wird bestimmt noch einiges passieren und vielleicht ist die Zeit nicht mehr fern, dass wir in einem hypnotischen Vorgespräch das Unterbewusstsein thematisieren wollen, und die Leute winken nur gelangweilt ab: "Kennen wir doch alles." 

Wenn es so weitergeht, kann ich mir vorstellen, dass man schon in kurzer Zeit der Hypnose in ungeahnter Akzeptanz gegenübertreten wird...


Lieben Gruß
Lutz

PS: Die Sendung wurde 2 km vor meiner Haustür aufgezeichnet. Dem Menschen, den ich während meines Beitrags oben im fernen Amerika wähnte, hätte ich also vorhin die Hand drücken können - Sachen gibbet...

[ratbat]

Was man nicht alles mit "Hypermnesie" machen könnte ... 

Im Rahmen eines Workshops könnte man vielleicht einige interessante Dinge ausprobieren und falls es verwertbare Ergebnisse gibt, diese bei Klienten mit Lernschwierigkeiten anwenden.

[Tom]

Hallöle,

soweit ich weiß ist der Corpus Callosum nicht die einzige Verbindung zwischen beiden Hirnhälften. Es gibt da noch eine Menge kleinerer Verbindungen. Aber der CC ist natürlich die "breitbandigste" Verbindung.

Wie Lutz schon sagte, hat man diese Verbindung bei einigen "Epileptikern" in den 70er Jahren durchtrennt. Daduch wurde eigentlich erst die Hemisphärenforschung in Gang gebracht. Einige Patienten zeigten danach tatsächlich "persönlichkeitsgespaltene" Symptome (nicht shizophrene). Anscheinend stellte man bei diesen Menschen 3 unterschiedliche Bewußtseinformen fest. Ein Linkshemisphärisches, ein Rechtshemisphärisches, sowie ein Integriertes.

Interessant waren wohl auch einige psychologische Wahrnehmungstests, die man mit diesen Menschen gemacht hat. Bei einer Dame wurde ein Auge zugehalten und mit dem Anderen sollte sie sich Fotos anschauen. Zeigte man ihr dann das Bild einer nackten Frau, wurde sie zwar Rot, konnte aber nicht beschreiben was sie sah. Fragte man sie dann, warum sie rot wurde, "erfand" sie spontan etwas (wie z.B. ich mußte gerade an etwas anderes denken). Daraus schloss man, daß das Gehirn oder das Unbewußte nicht gut damit leben kann, für etwas keine Erklärung zu haben und dann zu mutmaßen oder zu erfinden. Dasselbe Bild mit dem anderen Auge gesehen, wurde sie zwar nicht rot, konnte aber sachlich und nüchtern beschreiben, was sie da gesehen hat (nahezu ohne emotionale Bewertung).

Man zeigte einem Mann einen Löffel (wieder nur mit einem Auge) und er konnte formulieren was das war und wofür es gedacht ist. Er konnte diesen aber nicht benutzen. Wiederum den Löffel mit dem anderen Auge gesehen, konnte er nicht formulieren, was er da vor sich hatte, konnte diesen aber in die Hand nehmen und ihn korrekt benutzen.

Ich bin mir nicht mehr sicher, aber ich glaube ich habe das damals in einem von Watzlawicks Bücher gelesen.

Gruß, Tom.

[Lutz]

Hallo,

Fragte man sie dann, warum sie rot wurde, "erfand" sie spontan etwas

so, wie es Leute nach Ausführung eines "posthypnotischen Befehls" auch gerne tun: es wird nachträglich "rationalisiert", indem ein Grund für das Handeln angeführt wird, der verantwortlich sein "könnte" - obwohl der wahre Grund in der vorangegangenen Suggestion liegt.

"Bedenklich" dabei ist, dass der Proband selbst an diesen erfundenen Grund glaubt...

Lieben Gruß
Lutz

[Miraculus]

Da wird vermutlich ein alltäglicher Mechanismus genutzt...wahrscheinlich rationalisieren wir vielmehr, als uns lieb ist...